Gemeinsam – Caritas und Diakonie

Kurzer Blick in meinen Terminkalender: Morgen fahren Prälat Dr. Peter Neher, Vorstandsvorsitzender der Caritas, und ich gemeinsam nach Bielefeld und besuchen die von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Es ist eine Premiere, dass wir Präsidenten zusammen eine solche Einrichtung besuchen.

Zwei Männer geben sich die Hände. Ein Mann steht daneben und lächelt
Caritas und Diakonie arbeiten zusammen: Wie hier bei der Tafel der Vielfalt zum Tag des Flüchtlings 2016, die ich mit Caritas Präsident Peter Neher ausrichten durfte. ©Hermann Bredehorst

Es soll eine lose Reihe werden: „Ökumenische Visite“ heißt das neue Format, in dem wir zukünftig ein- bis zweimal im Jahr gemeinsam je eine Einrichtung der Caritas und der Diakonie besuchen wollen. Das Ziel: voneinander zu lernen und auch, von der „Außenperspektive“ des anderen zu profitieren. Das ist das eine. Zum anderen ist mir – und, ich glaube auch sagen zu dürfen, Dr. Peter Neher – wichtig, nach außen zu signalisieren: Caritas und Diakonie ziehen am selben Strang. Das halte ich in unserer vielstimmigen Gesellschaft, in der konfessionelle Unterschiede ohnehin oft als Fußnote zum Label „Kirche“ wahrgenommen werden, für ein wichtiges Signal. Gemeinsam verkörpern Diakonie und Caritas die soziale Arbeit der Kirchen in unserem Land. Wir vertreten gemeinsame Themen, die uns enger miteinander verbinden als mit den anderen Wohlfahrtsverbänden, mit denen wir in der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) sehr gut zusammenarbeiten.

Da Bethel in diesem Jahr sein 150. Jubiläum feiert, lag die Idee nahe, sich zuerst auf den Weg nach Ostwestfalen zu machen. Es geht bei diesem Besuch darum, zu verstehen, wie sich Bethel als großer sogenannter Komplexträger strategisch auf die nächsten Jahre vorbereitet. Ein „Komplexträger“ bietet etwa Leistungen in der Behinderten-, Kinder-, Jugend- und Altenhilfe an und steht vor besonderen Herausforderungen: Weil die von Bodelschwinghschen Stiftungen in mehreren Hilfefeldern in verschiedenen Märkten agieren, müssen Chancen und Risiken frühzeitig erkannt werden – gerade vor dem Hintergrund einer rückläufigen öffentlichen Finanzierung oder einer grundsätzlich veränderten Rechtslage. Stichwort: Bundesteilhabegesetz.

Die Idee zum Format Ökumenische Visite entstand vor einiger Zeit am Rande einer Konferenz des Verbandes der Diakonischen Dienstgeber (V3D), auf der es um die Zukunft Diakonischer Unternehmen ging – wie eben auch Bethel eines ist. Neben den strategischen Steuerungsherausforderungen stehen diese Unternehmen auch vor der Aufgabe, wie sie unternehmerisch erfolgreich sein u n d gleichzeitig ein konfessionelles Profil leben können. Was bedeutet es, ein christliches Profil zu entfalten – sei es katholisch oder evangelisch? Wie erhält man Identität bei so vielen kleiner werdenden Einheiten und Wohngruppen in sehr unterschiedlichen Sozialräumen und Regionen? Wie können christliche Werte, ein christliches Menschenbild als Basis der Arbeit vermittelt werden, wenn es immer schwieriger wird Personal zu finden, das sowohl hoch professionell ist, als auch eine Kirchenbindung hat? Oder andersrum gefragt: Was bedeutet es für die Professionalität eines konfessionellen Unternehmens, wenn die Menschen, die uns anvertraut sind, und die, die bei uns arbeiten, in anderen Religionen und Weltanschauungen zuhause sind?

Nächstenliebe in der Marktwirtschaft

Die Nächstenliebe, die wir in Diakonie und Caritas umzusetzen versuchen, bedeutet in einer komplexen Marktwirtschaft soviel mehr als nur ein barmherziges, unterstützendes Miteinander. Das Management eines „caritativen Unternehmens“ hat alle ökonomischen Probleme eines privatwirtschaftlichen „Sozial-Konzerns“ und ist darüber hinaus dazu aufgefordert, den Anspruch zu erfüllen, Gesicht der gelebten Kirche zu sein. Mit diesen Herausforderungen sind Caritas und Diakonie gleichermaßen konfrontiert. Auch wenn es darum geht, in Gesetzgebungsverfahren gehört zu werden, argumentieren wir oft gemeinsam. Wir haben schließlich gemeinsame Ziele – etwa das Engagement für die gerechte Teilhabe der Schwachen oder die Stärkung von Subsidiarität und Selbstbestimmung. Konfessionelle Unterschiede verlieren angesichts dieser Herausforderungen an Bedeutung.

Umso spannender, wie die jeweils andere Tradition mit anderen Fragen und Antworten auf die gemeinsamen Herausforderungen blickt. Auch zu solchem Austausch wird die Ökumenische Visite Gelegenheit geben. Ob sich von hier aus, aus der Welt der Sozialpolitik heraus, Ökumene buchstabieren lässt, ob sich Impulse in das (theologische) ökumenische Gespräch setzen lassen?

Ich freue mich jedenfalls über diesen Austausch und das gemeinsame Lernen. Er soll nicht allein präsidial bleiben, sondern auch auf anderen Ebenen fortgesetzt werden: Etwa auf dem Weg zum 3. Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt am Main. Auch davon werde ich Sie wissen lassen!