„Zeig dich! Sieben Wochen ohne Kneifen“ ist das Motto der evangelischen Fastenaktion, die am Aschermittwoch beginnt und bis Ostern dauert. Zunächst löst der Slogan bei mir leisen Spott aus: Diese Kombination von Fastenzeit und „Ohne Kneifen“ lädt zu Albernheiten ein. Aber warum nicht? Irritation und Humor sind nicht die schlechtesten Wege, in ein ernstes Thema einzusteigen. Und im Kontext des Glaubens, über Mut und Zivilcourage nachzudenken, das gefällt mir. Ich habe mich jedenfalls gerne beteiligt und für das Themenheft „Zutaten“ eine Andacht zum Barmherzigen Samariter beigetragen.
Mich beschäftigt die Frage, ob das Motto der Fastenaktion nur für Personen interessant ist? Können nicht auch Organisationen, eine Partei, ein Verband, vielleicht sogar eine Firma „kneifen“, oder sich eben „zeigen“? Kann ein Finanzamt mutig sein, eine Kirchengemeinde feige oder ein Altenheim couragiert? Es gibt gute Gründe das zu verneinen. Denn natürlich steht und fällt die Glaubwürdigkeit eines Verbandes immer mit den Menschen, die sich für seine Sache einsetzen. Es sind immer sehr konkrete Männer und Frauen, die feige oder mutig oder irgendetwas dazwischen sind. Ihre Entscheidungen wirken auf das Ganze zurück. Das gilt für die Altenpflegerin und die Kantorin, für Buchhalter und den Vorstand. Vielleicht muss man anders fragen? Was hilft Menschen dabei, mutig zu sein? Was hemmt sie? Wie können wir als Organisationen und Verbände auf unser jeweiliges Umfeld einwirken, damit Zivilcourage ermöglicht wird?
Wann ist Diakonie mutig?
Das öffentliche Bild – auch der Diakonie – wird ebenso durch personenunabhängige Faktoren bestimmt. Wer sind wir? Die mit dem Kronenkreuz auf dem Auto; die mit dem Skandal damals in der Treberhilfe; die mit den rund 700 000 Freiwilligen, die mit den violetten Plakaten; die von der evangelischen Kirche? All das und viel mehr formt unseren Ruf, unser Image, ja, unsere Rolle in der Gesellschaft. – Und wann sind wir mutig? Oder anders: Ist eine private Initiative wie Seawatch, die sich der zivilen Seenotrettung von Flüchtenden verschrieben hat, „mutiger“ als die zur Diakonie gehörende Stadtmission, die in Berlin auch die Kältehilfe organisiert? Was wären die Kriterien?
Stichwort: Violette Plakate. Ich hoffe, dass die immer noch recht junge „Unerhört-Kampagne!“ der Diakonie in den kommenden drei Jahren hilft, Beiträge zur Ermutigung zu leisten. Seit Mitte Januar verbreiten wir landauf landab die Plakate mit der weißen Schrift: „Unerhört! Diese Obdachlosen“ und „Unerhört! Diese Flüchtlinge“. Weitere Motive werden folgen: Arme, Alte, Alleinerziehende zum Beispiel. Diakonie hinterfragt fragwürdige Zuschreibungen, spitzt das öffentliche Ohr für die Unerhörten in unserem Land. Wir setzen in dieser Kampagne nicht auf Bilder, sondern auf das Wort, die Bilder im Kopf. Und wir wollen zum Zuhören einladen. Wir wollen, dass wir in Deutschland in ein unaufgeregtes Gespräch darüber kommen, was und wer unerhört ist – und wie wir das ändern können. Es gibt Menschen, die finden diesen Ansatz mutig, andere finden ihn in der Tonalität zu gewagt. Oder zu vollmundig. Die schärfsten Kritiker werfen der Diakonie Arroganz, Bigotterie und Lüge vor – manche Email bleibt anonym, manche wird mit vollem Namen unterschrieben. Zeig dich!
Und was meinen Sie? Inwiefern ist die Fastenaktion „Zeig dich! Sieben Wochen ohne Kneifen“ auch eine Fastenübung für Organisationen und Verbände?