In unserer älter werdenden und sich zugleich individualisierenden Gesellschaft stellen sich viele Menschen Fragen über ihr Älterwerden. Richtige und wichtige Fragen: Wie wollen wir leben? Wo wollen wir zuhause sein? Und was bedeutet das für unsere konkreten Nachbarschaften, unser „Quartier“?
Lebendige Quartiere
Die meisten meiner Freund:innen oder Geschwister möchten am liebsten umgeben von Freunden und in einer lebendigen Nachbarschaft älter werden. Sie wollen sich weiterhin selbstverständlich einbringen und das Leben mit den anderen Nachbar:innen aktiv mit gestalten. Kaum jemand von uns kann sich eine konfektionierte Betreuung in einer stationären Pflegeeinrichtung vorstellen. Obwohl in den Häusern so viel Großartiges geleistet wird.
Es ist höchste Zeit, sich Gedanken über die Qualitäten von altersgerechten Wohnquartieren und einem entsprechend gestalteten Wohnumfeld zu machen. Keine Ghettos von Gleichaltrigen und Gleichgesinnten, sondern lebendige Nachbarschaften mit Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters, mit Begabungen und Vergangenheit, mit Humor und Zukunftsträumen, mit Leid und Leidenschaften.
Viele Perspektiven
Eine solche „Quartiersentwicklung mit Zukunft“ fällt nicht vom Himmel. Sie verlangt ein neues Denken und Planen, an dem nicht nur die unterschiedlich älter werdenden Menschen beteiligt sein sollten, sondern auch Stadt – und Raumplaner:innen, Architekt:innen, Pflegefachleute, Quartiersexpert:innen, Apotheken, Stadtbibliotheken, Sportvereine und viele mehr. Es braucht die vielen Perspektiven.
Echte und überzeugende Innovationen für Quartiere und für die Sozialwirtschaft lassen sich nicht alleine und im Verborgenen entwickeln. Darum ist Diakonie Deutschland seit April 2021 zusammen mit vielen anderen Organisationen und kompetenten Persönlichkeiten Partner und Mitglied von DUCAH.
Dynamisches Netzwerk
DUCAH steht für „Digital Urban Center for aging and health“. Aufgabe dieses dynamischen Netzwerks für die Pflege der Zukunft soll es insbesondere sein, digitale Lösungen in die Pflegequartiere zu bringen und dabei immer den Menschen in die Mitte zu stellen. Hier leistet DUCAH einen wichtigen Beitrag zur Durchdringung von digitalen Lösungen im deutschen Gesundheitswesen. Pragmatisch. Forschend. Nachhaltig.
Das gemeinsame und verbindende Ziel: Wir wollen miteinander für alle, die älter werdenden, – also für jeden Menschen – aber auch für Lösungsanbieter, Gesundheitsdienstleister und Quartiere Nutzen generieren. Damit sich in den Kiezen und Nachbarschaften, im Quartier eben, langfristig etwas an der Lebensqualität ändern kann. Was keineswegs nur im Interesse der älter werdenden Menschen liegt, sondern im Interesse alle Bewohner:innen einer Nachbarschaft.
Innovation und Tradition
Zu dem Netzwerk der Stiftung gehören unter anderen so unterschiedliche Player wie Bundesministerien, die Volkswagen- und die Hans-Böckler-Stiftung, das Haus der Kulturen der Welt, die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie auch Google und Facebook.
Gemeinsam findet dieses vielfältige Netzwerk derzeit auch eine gute, nachhaltige (Re)Finanzierungslösung der DUCAH-Idee: DUCAH soll eine Genossenschaft werden. Unser neues Netzwerk von digital-sozialen Innovatoren nimmt die alte Raiffeisen-Idee auf. Das ist doch eine interessante Entwicklung!
„Wir sind auf dem richtigen Weg!“ – So lautete dann auch das gemeinsame Fazit der über 80 Teilnehmenden auf dem 3. DUCAH-Quartalstreffen in dieser Woche im Change Hub | co-creating social impact in Berlin.
Gemeinsam auf den Punkt
Gemeinsam handeln, gemeinsam denken, gemeinsam entwickeln, gemeinsam wirtschaften, gemeinsam nutzen. So lässt sich die Ausrichtung unseres Netzwerkes auf den Punkt bringen. Dazu gehört auch, dass auf dem hybrid veranstalteten Quartalstreffen die beeindruckenden Zwischen-Ergebnisse der sogenannten Impulsteams dem Plenum vorgestellt werden.
Dabei bleibt das Denken keineswegs auf den digitalen Raum begrenzt. Immer wieder wird in den Überlegungen spürbar, dass im Zentrum allen Nachdenkens stets der konkrete Mensch steht, nicht die Technik. So geht es beispielsweise beim „Impulsteam Concierge“ um die Entwicklung eines sozialraumbezogenen, rechtlich und finanziell machbaren Rollen- und Kompetenz-Modells in Form einer tatsächlichen Person – eben einer Concierge.
Mensch in der Mitte
„Wir möchten einen persönlichen und menschlichen Anker mit dem Concierge-Service setzen. Einen Service, der die Menschen in der Quartierswelt abholt, mitnimmt und zur (digitalen) Selbstbefähigung und Beteiligung bei allen Fragen rund um Gesundheit und Teilhabe befähigt“, sagte eine Teilnehmerin. Klingt etwas anders als „Quartiersmanagement“ , meint aber etwas ähnliches.
Weitere Fragestellungen, an denen während des Treffens vor Ort und online in diversen Sessions gearbeitet wurde, waren unter anderem: Zukunftsperspektiven Medical Needs; Mobilität: Wie sehen gesunde Quartiere aus und wie bewegt man sich in Ihnen? Wie kann digitale Teilhabe im Quartier für jede:n möglich sein? Und wie schafft man vor Ort ein Milieu, in dem gemeinsam Innovationen entwickelt werden können?
Begeistertes Fazit
Mein persönliches, ziemlich begeistertes Fazit nach diesem dritten Treffen ist: Es entsteht wirklich eine besondere, sehr inspirierende Dynamik, wenn kompetente Menschen mit ihrem jeweiligen Expert:innenwissen auf Augenhöhe zusammenkommen.
Breit angelegte Netzwerke mit ungewohnten Partner:innen entwickeln fortlaufend neue Synergien. Allein weil sich alle mit ihren Perspektiven und Ideen den „fremden Blicken“ aussetzen, werden neue Impulse möglich. So arbeitet man tatsächlich GEMEINSAM an zukunftsweisenden Lösungen.
Ich bin erneut davon überzeugt worden: Wir alle müssen lernen, das vertraute „Silo-, Tortenstück-, Kästchen-Denken“ hinter uns zu lassen. In der Politik genauso wie in Sozialwirtschaft und Zivilgesellschaft. Nur wenn wir Netzwerkkompetenzen gewinnen und ausbauen und die Perspektiven der anderen zu schätzen lernen, werden wir zu guten, tragfähigen und neuen Lösungen für alle gelangen.