Acht Tage Krieg in der Ukraine – Hilfen wirksam spenden
Es hat etwas Unwirkliches. Ich sitze hier in meinem Berliner Arbeitszimmer. Die Sonne scheint mit ihren schönsten Vorfrühlingsstrahlen. Die Vögel zwitschern lauthals. Alles blüht, knospt, treibt. Und neun Autostunden von hier, in 850 Kilometer Entfernung, ist Krieg. Das ist so, wie wenn ich von Berlin aus in die Alpen zum Wandern fahre. Größere Kontraste lassen sich kaum denken.
Vor acht Tagen also hat er uns eingeholt: Der Vater aller Unglücke, der Krieg. Als hätte die Menschheit nicht dazu gelernt. Nach dem nicht enden wollenden 20. Jahrhundert mit all seinen Verheerungen. Nach Afghanistan. Trotz Syrien. Wieder also, zwei Tage nach dem symbolträchtigen, leicht zu merkenden Datum 22.2.22, ist es wieder so weit: Ein Territorialkrieg der russischen Föderation überzieht das zweitgrößte Land Europas, die Ukraine. „Bruderkrieg“ nennen es die Menschen dort, fassungslos. Und unwillkürlich geht einem die Geschichte am Anfang der Bibel, dieser Brudermord, die Geschichte von Kain und Abel, durch den Kopf.
Wer hätte ernsthaft gedacht, dass so etwas mitten in Europa nach 1945 noch einmal möglich ist? „Nie wieder Krieg“ hatten die Vereinten Nationen sich in ihre Gründungserzählung geschrieben. „Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein“, hieß es in der Ökumenischen Versammlung der Christenheit wenig später. Alle Verträge nichtig, das Papier nichts wert, auf dem sie geschrieben sind. Selbst die russischen Soldaten wurden in ein „Manöver“ geschickt und wachten als kriegsführende Partei auf.
Auch ich fühle eine Mischung von Wut und Trauer, Schock und Entsetzen in mir. Und es sind die kleinen Bilder, die sich einprägen. Eine junge Frau auf der Flucht, die leise sagt: „Ich habe keine Tränen mehr.“ Und dann die Bilder und Filme von sehr verletzlichen Menschen mit Beeinträchtigungen, die auf der Flucht sind in einem abgehalfterten alten VW-Bus. Bloß raus hier. Jugendliche, die eh schon traumatisiert sind und bei denen nun diese Traumatisierung aufs Neue getriggert wird. Eine Psychologin, die sie betreut und die in all dem Chaos noch Übungen mit ihnen macht: Die Wut herauskneten, sich umarmen, das notwendige Gespräch suchen.
Da wird einem als Mensch und Diakoniker zugleich warm ums Herz und es fröstelt einen, wenn man ahnt, wie es weiter geht, wie dieser unwirkliche Film wohl auf schreckliche Weise zu Ende geschrieben wird. David gegen Goliath?
Gestern Abend saß mir eine gestandene Frau aus der Ukraine gegenüber. Sie singt sich den Schmerz aus der Brust. Das wenigstens tut gut. Sie animiert ihren englischen Chor, die ukrainische Nationalhymne einzuüben:
„Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben,
noch wird uns lächeln, junge Ukrainer, das Schicksal.
Verschwinden werden unsere Feinde wie Tau in der Sonne,
und auch wir, Brüder, werden Herren im eigenen Lande sein.
Leib und Seele geben wir für unsere Freiheit,
und bezeugen, dass unsere Herkunft die Kosakenbrüderschaft ist.“
Über 100 Jahre alt und nach all den Verwüstungen ein bleibend mutiges Lied.
Auch Trauer und Wut sind Energie. Und so stellt sich die Frage, wie wir und ich in dieser Lage am besten helfen können? Verteidigung, Waffenlieferungen ja oder nein, all das sind im Kern staatliche Fragen, auf die wir nur sehr begrenzt Einfluss haben. Aber: Die „Opfer unter dem Rad verbinden“ (Dietrich Bonhoeffer), das bleibt unsere Aufgabe.
Und so bin ich in all dem Leiden sehr froh darüber, welche unglaublich große Welle der Hilfsbereitschaft uns auf allen Ebenen erreicht. Und – Gott sei Dank – wir haben eine Diakonie Katastrophenhilfe, die viel, viel Erfahrung mit solchen Krisen und Kriegen hat. Seien sie weiter weg (und nicht so im Fokus unserer Aufmerksamkeit) oder – wie jetzt – vor unserer Haustür.
Es gilt nun, so seltsam wie das klingt, mit heißem Herzen und bei aller Betroffenheit zugleich einen kühlen Kopf zu bewahren. Solche Hilfe will sorgsam geplant und ausgeführt sein, damit möglichst viele Menschen dadurch möglichst gut erreicht werden. Deshalb haben wir uns als Diakonie in Deutschland in Abstimmung mit DKH und Brot für die Welt sehr schnell entschieden, all unsere Hilfe über die Brücke der Diakonie Katastrophenhilfe zu leisten. Über sie wird alles koordiniert (und mit Act Alliance und deren Partnern in den Nachbarländern abgestimmt) und rasch und unbürokratisch weitergegeben.
In all dem Chaos, was nun an den Grenzen herrscht, ist es entscheidend wichtig, mit erfahrenen Fachleuten unterwegs zu sein und sich nicht zu verzetteln in bilateralen Warentransporten, die dann im Chaos untergehen. In die Ukraine selbst ist ohnehin auf eigene Faust kein Transport mehr sinnvoll und möglich. Umso wichtiger ist die konkrete Hilfe für die Flüchtenden in den Nachbarländern und natürlich auch hier.
Jede und jeder möchte etwas tun, möglichst praktisch, z.B. Güter sammeln oder einkaufen und versenden. Nur: In dieser Lage hilft das nicht wirklich. Was es braucht, sind schlicht finanzielle Unterstützungen und dann natürlich ein Dach über dem Kopf, eine Bleibe und gegebenenfalls eine Arbeit.
Daran arbeiten die Fachleute der Katastrophenhilfe engagiert und koordiniert.
In diesen Tagen tut es gut, sich Sprache bei unseren Vätern und Müttern im Glauben und Zweifeln zu leihen. Mir ist ein Bibelwort besonders nahegekommen, der unglaublich schöne wie zugleich traurige und tränengesättigte 126. Psalm. Man könnte ihn auswendig lernen oder sich durch Johannes Brahms bewegen lassen:
„Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden. (…)
Herr, bringe zurück unsere Gefangenen,
wie Du die Bäche wiederbringst im Südland.
Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“
Gottes Sonne gemahnt auch mich, dass jeder Morgen neu ist und – so Gott will – Frieden wachsen kann.
Hier können Sie online für die Diakonie Katastrophenhilfe spenden.
Oder über diese Bankverbindung:
Diakonie Katastrophenhilfe, Berlin
Evangelische Bank
IBAN: DE68 5206 0410 0000 5025 02
BIC: GENODEF1EK1
Stichwort: Ukraine Krise
Wichtige Hinweise und Informationen der Diakonie Deutschland finden sie auf unserer Seite zum Krieg in der Ukraine.