Besuch bei der Deutschen Seemannsmission Hamburg-Harburg e.V. – support of seafarers‘ dignity. Am Hamburger Hauptbahnhof werde ich sehr freundlich von Sozialpädagogin Juliane Pinkepank in der blauen Semmannsmissionsjacke und von Piet empfangen. „Ich bin Piet und Sie sagen bitte auch einfach Piet.“ Wir fahren über die Köhlbrandbrücke in eine andere Welt.
Seit gut dreieinhalb Jahren arbeitet Piet ehrenamtlich im international seamen’s club „Duckdalben“ mitten im Hamburger Containerhafen. Mit vier Erdgas betriebenen Kleinbussen holen Piet und weitere 70 Ehrenamtliche jeden Tag über 120 Seeleute aus aller Welt direkt von ihren Schiffen in diesen einzigartigen Club, der täglich von 10.00 Uhr bis 22.30 Uhr für Sie geöffnet ist. „Wir Ehrenamtliche sind hier eine sehr bunte Crew von Ehrenamtlichen, zwischen 18 und 72 Jahre alt und bieten eine Mischung von A wie Arzt bis Z wie Zollbeamter“, erzählt Piet.
Die Luft in diesem Club ist international und maritim. Unter den Decken hängen Rettungsringe von Schiffen aus aller Welt. Sie tragen Unterschriften und Danksagungen in allen Sprachen dieser Welt. Die gut 120 Seeleute aus 113 Ländern, die hier täglich zu günstigsten Tarifen mit Ihren fernen Liebsten auf den Phillipinen, in Bangladesh oder in China telefonieren, skypen oder ihnen auf direktem und sicherem Weg ihre Heuer überweisen können, haben diesen Club zu einem der besten fünf Seemannsclubs auf der Welt gewählt.
Seemannsdiakonin Anke Wibel und der Mitbegründer und Seemanndiakon Jan Oltmanns, die diesen Club zusammen seit Jahrzehnten leiten und prägen, erzählen mit Herzblut und Stolz von ihren Begegnungen und Erfahrungen mit hart arbeitenden Männern aus aller Welt. Angebot und Ambiente des „Duckdalben“ sind ganz auf deren Bedürfnisse eingestellt: auf die Bedürfnisse von Männern, die sich mit einem simplen Englisch, mit Händen und Füßen und vor allem mit dem Herzen verständigen.
Herzlich und hilfsbereit sind die haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden im Clubraum mit Bier- und Kaffeetresen, der zugleich ein Verkaufsraum ist. Hinter und auf dem Tresen liegt alles aus, was Menschen, die mindestens acht Monate ihres Lebensjahres auf hoher See und bei sehr kurzen Liegezeiten in den Häfen oft auch auf den Schiffen verbringen, gut gebrauchen können. Sprachschwierigkeiten zwischen den Mitgliedern einer Crew auf hoher See, eng getaktete Arbeitszeitenschichten mit ständigem Lärm, Vibrationen und Schaukeln Tags und in der Nacht bestimmen das Leben, das längst nichts mehr von Romantik, sondern viel mehr mit hochbelastenden Arbeitsbedingungen in einer durch und durch rationalisieren Welt des Funktionierens zu tun hat.
„Als ich vorgestern eine Crew auf ihrem Schiff besucht und der Mannschaft aktuelle Zeitungen in Ihrer Landessprache gebracht habe, habe ich einen malaysischen Seemann gefragt, wie es ihm heute Morgen in Hamburg ginge. Darauf begann er fassungslos zu weinen und sagte mir: ‚Du bist der erste Mensch, der mich das seit acht Wochen fragt‘.“ „Don’t tell me your Life Story!“, hat Jan Oltmanns vor einigen Wochen auf dem Schreibtisch eines Offiziers auf einem Dicken Containerschiff gelesen. Im „Duckdalben“ erleben sich diese Menschen für wenigstens einige Stunden nicht fremdbestimmt, der ‚human touch der Nächstenliebe‘ ist ein wirksames Pharmakon gegen Vereinsamung und Heimweh.
Die heissbegehrte Schokolade, die weltweit viel teuerer als in Deutschland ist, gibt es heute im Sonderangebot. Vier Tafeln für zwei Dollar. Aber auch Shampoo und Kondome gibt es heute im Angebot. Eine medizinische und fachpflegerische, aber vor allem diskrete und zur Verschwiegenheit verpflichtete Sprechstunde gibt es täglich. Geschlechtskrankheiten spielen in dieser internationalen Sprechstunde nur noch eine untergeordnete Rolle. Viel häufiger geht es um Bluthochdruck, um Diabetes oder eine schlecht verheilte Wunde am Finger, von der der behandelnde Offizier an Bord nichts wissen soll.
Der große Raum der Stille im zweiten Stock bietet Menschen aus allen Weltreligionen ihre Andachtsmöglichkeit, im Gebetbuch stehen Texte in unterschiedlichsten Schriften und Sprachen. In den vielen Sitzecken und Rückzugsmöglichkeiten an diesem menschenfreundlichen Ort sitzen, erzählen oder telefonieren Menschen mit allen Hautfarben. Sie nutzen die Karaoke Show oder die Disko, Billard, Tischtennis und Kicker auf festem Boden und einen Wintergarten mit einer internationalen Bibliothek.
„Duckdalben“ heißt in der Hafensprache eine Pfahlgruppe aus meist drei oder vier in den Grund gerammten und über Wasser verbundenen Holzstämmen. Sie dienen zum Vertäuen von Schiffen im freien Wasser oder abseits von Kaimauern. Hier meint dieses Wort, dass Seeleute aus aller Welt hier im Wortsinn festmachen können. Dafür sorgen Jan, Anke und Piet und viele Andere, die wollen, dass diese Menschen hier erfahren, wie Gott sie meint.