Im griechischen Grenzort Idomeni trennt eine Stacheldrahtrolle Griechenland von Mazedonien. Tag und Nacht kommt dort ein Bus nach dem anderen an.
Aus jedem Bus steigen 50 und mehr Flüchtlingen aus: Familien mit kleinen Kindern, junge Männer, Jugendliche, die allein reisen, Alte und Kranke. 5.000 bis 6.000 sind es täglich, auch heute.
Erschöpft stehen sie im Matsch – in Sandalen oder Stoffturnschuhen, in dünnen Jacken. In Idomeni hat es die letzten zwei Tage geregnet. Sie halten ihre ganze Habe in der Hand, in Plastiktüten oder kleinen Rucksäcken. Es gibt keine angemessene Versorgung, nur die arme griechische Bevölkerung hilft, wo sie kann. Zum Beispiel Olga Maragaiki, die ihre Souvlaki-Bude am Sonntag zu macht, um Wasser und Lebensmittel an die Flüchtlingen zu verteilen. Ihr Bekenntnis steht auf ihrem T-Shirt: Refugees welcome.
Geduldig warten die Flüchtlinge in langen Schlangen bis sie an die Reihe kommen – bei der Austeilung von Hilfsgütern ebenso wie beim Warten auf den geordneten Gang über die Grenze. Im Viertelstundentakt übergeben griechische Polizisten Gruppen von jeweils 50 Personen an mazedonischen Soldaten. In den Gesichtern der Flüchtlinge spiegeln sich deren Gefühle wieder: Erschöpfung, Hilflosigkeit, Ungewissheit und Hoffnung. Diese Gesichter haben sich mir tief eingeprägt.
Wer die Flüchtlinge in den Durchgangslagern in Südeuropa gesehen hat, weiß, dass kein Hotspot und keine Transitzone Flüchtlinge davon abhalten werden, den Weg nach Europa zu suchen. Damit werden sich allenfalls die Taschen der Schlepper und Schleuser füllen, die sehr erfinderisch bei der Suche nach neuen Wegen nach Europa sind.
Die Zustände an den europäischen Außengrenzen sind untragbar für ein Europa der Menschenrechte. Europa wird sich eines Tages daran messen lassen müssen, ob es eine gemeinsame europäische Antwort auf diese humanitäre Jahrhundertherausforderung gefunden hat.