„Alltagsheld*innen setzen auf die Hoffnung“. Das ist in diesem Jahr im Netz unsere diakonische Osterbotschaft. Sie braucht ganze 32 Sekunden, um sich zu entfalten: Ein Mosaik aus Gesichtern und Namen. Neben Simon, Josef und Salome stehen Dietrich, Sabine und Anneliese.
Es sind Namen aus den Audio-Geschichten der Unerhört!-Kampagne und aus Kapitel 14 bis 16 des Markusevangeliums. Auch die Nebenfiguren der Passionsgeschichte sind Alltagshelden:
Simon, der gerade zufällig vorbeikommt, wird gezwungen, dem Gefolterten das Kreuz zu tragen. Der Ratsherr Josef nützt seinen Einfluss und sein Geld, damit der Leichnam Jesu noch vor dem Sabbat wenigstens vorläufig versorgt werden kann. Üblicher wäre gewesen, ihn als abschreckendes Beispiel am Kreuz hängen zu lassen und erst nach Tagen irgendwo mit den anderen Toten zu verscharren.
Und Salome gehört zu den Frauen, die sich nicht fortjagen lassen. Wie die Alltagsheldinnen in der Arbeit mit Geflüchteten oder Wohnungslosen. Oder die Menschenrechtsstreiterinnen heute, die sich mit ihrem Einsatz in vielen Ländern dieser Erde Gefahren aussetzen, aber trotzdem nicht anders können und wollen.
Der Angst zum Trotz
So wie Salome lassen sie sich nicht fortjagen. Nicht von den Soldaten, nicht vom spottenden Mob, nicht von dem schrecklichen Anblick und auch nicht von der eigenen Angst und Trauer, der Wut und Hilflosigkeit.
Die Salome des Markusevangeliums hat ihren Lehrer und Freund nicht alleine sterben lassen, und am Ostermorgen wird sie fassungslos vor dem leeren Grab stehen, erzählt Markus. Die Geschichte, die nach der Logik des Macht brutal beendet werden sollte, wird trotzdem weiter gehen. Sie ist nicht totzukriegen. Seit über 2000 Jahren.
Auf mich wirken die biblischen Figuren wie Alltagshelden mit, ja, Diakonie-Spirit: mit Sinn für das „für“ und das „mit“. Wegbegleiterinnen, die sich von Leid und Ausgrenzung nicht abwenden. Sondern die im Gegenteil hinschauen und sich berühren lassen. Die zupacken und unbürokratisch helfen – wenn auch nicht immer gerne.
Mit Diakonie-Spirit
Das Kreuz tragen, dem Sterbenden Beistand leisten, der Angst widerstehen, ein Grab organisieren und die Würde eines politisch hoch Verdächtigen schützen. Oder: einen Strafgefangenen auf das Leben nach dem Knast vorbereiten, einer Obdachlosen Suppe kochen, eine demente Dame trösten, einem Geflüchteten beim Deutschlernen helfen und sich von der eigenen Angst nicht dominieren lassen.
Ostern bedeutet, zu hoffen und nicht aufzugeben, auch wenn alle Zeichen auf Niederlage stehen. Ostern bedeutet, für andere da zu sein, sogar wenn es nichts zu nützen scheint. Das kleine Zauberwort „für dich“ ist ein mächtiges Osterwort gegen alle ungesunden Egoismen und augenscheinlich verschlossene Auswege. Auf den Auferstandenen zu hoffen bedeutet, der normativen Kraft des Faktischen aus Hoffnung nicht das letzte Wort zu lassen.
Für dich – mit dir
Der anglikanische Theologe Sam Wells, Hauptpastor der Londoner Kirche St. Martin in the Fields, die für ihre exzellente Kirchenmusik genauso wie für ihre wegweisende Arbeit mit Wohnungslosen bekannt ist, hat vor einigen Jahren ein inspirierendes Buch geschrieben: „A Nazareth Manifesto. Being with God.“
In diesem Buch beschreibt er, dass Jesus nur eine Woche seine Lebens „für“ die Menschen gehandelt hat – in der Karwoche, vom Einzug in Jerusalem bis zur seiner Kreuzigung.
Zwei Jahre seines Lebens hat er „mit“ den Menschen gearbeitet – in Galiläa. Dort beruft er die Jünger, lehrt, heilt Kranke und vollbringt Wunder.
Über dreißig Jahre aber, den überwiegenden Teil seines Lebens, hat Jesus einfach mit den Menschen in Nazareth gelebt.
Diese Jahre verweisen nach Wells auf das, worum es Gott eigentlich geht: mit den Menschen zu leben; an unseren großartigen Tagen genauso wie an unseren Niederlagen teilzuhaben, unsere Freuden wie unsere Ängste zu teilen, Trauer und Jubel.
Gottes Geheimnis
„Being with“, das Mitsein Gottes mit uns – gerade bei den Problemen, für die wir keine Lösung haben, ist nach Wells der Kern des Geheimnisses Gottes. Gott für uns und mit uns – zwei Seiten des Geheimnis des Lebens. Zwei Seiten Gottes.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Karwoche und ein hoffnungsvolles Osterfest – allein oder mit den Menschen, mit denen und für die Sie gerne da sind.