Diakonie mit anderen – das kann auch so aussehen: Vertreterinnen und Vertreter von Diakonie, Naturschutzbund, Sozialverband VdK und IG Metall gemeinsam auf einer Bühne am Brandenburger Tor. Verschiedene Perspektiven, verschiedene weltanschauliche Hintergründe – aber ein gemeinsames Ziel: Ein ökologisches, faires und demokratisches Deutschland in einer sich rasant digitalisierenden und transformierenden Welt.
Ich gehörte am vergangenen Samstag zu den fünf „Speakern“ auf der Abschlusskundgebung der Großdemonstration, zu der die IG Metall aufgerufen hatte. Ihr Motto: „Fairwandel. Sozial, ökologisch, demokratisch. Nur mit uns.“
Fairwandel. Nur mit uns
Es ging um die wichtige Frage, was für ein Land wir sein wollen. Wie wir miteinander leben wollen. Wie wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem vielfältig, älter, digitaler und sozial ungleicher werdenden Land gestalten wollen – unter den Bedingungen des Klimawandels. Das ist das Abenteuer unserer Zeit – mit ungewissem Ausgang.
50 000 Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet waren dem Aufruf gefolgt. Lauter Hoffnungsträger und Mitgestalterinnen eines fairen Wandels, der nur möglich sein wird, wenn wir alle gemeinsam ihn gestalten wollen.
Es war ein kraftvoller und gut gelaunter Impuls gegen alarmistischen Populismus.
Ja, ich meine, es war auch ein Akt politischer Bildung im besten Sinn, ein positives Signal für Kooperation in komplizierten Zeiten. Und gegen engstirnige Politikkonzepte, die einen grob und falsch vereinfachenden Zugang zur Wirklichkeit haben und keine lebbaren Lösungen anbieten.
In die Fläche
Und, was die IG Metall an diesem Tag auf dieser Bühne in der Hauptstadt vorgemacht hat, das brauchen wir in der Fläche. Diese lösungsorientierte Kooperationsbereitschaft, dieses breite Bündnis der Zivilgesellschaft muss in den Alltag übersetzt werden. Demonstrationen und Kundgebungen sind wichtig, aber es sollte nicht bei Samstags- oder Sonntagsreden bleiben. Die Frage ist also: Wie können wir gewährleisten, dass der Impuls nicht verpufft?
Ich habe in meinem Redebeitrag daran erinnert, was wir in der Diakonie seit Jahren mit Erfahrung füllen: Es kommt auf das eigene Handeln im konkreten eigenen Umfeld an, auf die Stadt, den Landkreis, das Quartier, in dem wir zuhause sind. Auf unseren Sozialraum und wie wir ihn gemeinsam gestalten.
Ungewohnte Allianzen
Was auf der Bühne am Samstag vorgemacht wurde, dieses neue Denken „out oft he box“, die ungewohnte Allianz von Diakonie und Gewerkschaft, von Klimaschützern, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik braucht noch weitere Partner, und sie muss sich in die Kommune übersetzen.
„Unsere soziale Demokratie will gestaltet werden. – Und zwar zuerst von uns!“, habe ich den vielen engagierten Arbeitnehmer*innen zugerufen. Und an Johannes Rau erinnert, unseren ehemaligen Bundespräsidenten, ein evangelischer Christ und Sozialdemokrat der alten Schule:
„Der hat bereits 1987 gesagt: ‚Die Gemeinde, die Kommune, ist der Ernstfall der Demokratie.‘ Dieser Satz ist heute noch richtiger geworden! (…) Wir sollten die soziale Demokratie in unseren Nachbarschaften für alle und mit möglichst vielen gestalten und erfahrbar machen. Vor Ort ernten wir die alltäglichen Früchte unseres Arbeitslebens. Im Stadtviertel müssen unsere Vorstellungen vom guten Leben Platz haben. (…)
Gewaltige Transformation
Wenn wir das hinbekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir aus dieser gewaltigen Transformation zusammen gestärkt herausgehen.
Darum bildet Allianzen für Menschlichkeit vor Ort. Mit den Anderen, die da sind: IG-Metall und Diakonie, Kirchen und IHK, Klimaschützer, Moscheevereine und Wohnungswirtschaft und so weiter.
Wir alle, wir gemeinsam, sind schließlich das Volk. Auf uns kommt es an. Mit unseren unterschiedlichen Weltanschauungen, unterschiedlichen Fähigkeiten und Erfahrungen, mit und ohne Migrationshintergrund, mit und ohne Behinderung.
Unterschiedlichkeit nützen
Nützen wir unsere Unterschiedlichkeit. Das 21. Jahrhundert darf nicht das Jahrhundert der Populisten und der Nationalisten werden, machen wir es zusammen zum Jahrhundert der Kooperation und der Zusammenarbeit!
Zusammenarbeit und Miteinander reden, so heißen die Schlüssel zur Zukunft, liebe Metallerinnen und Metaller.
Wir können voneinander und miteinander lernen. Um den umwälzenden Herausforderungen, den komplexen Problemen, dem gefahrvollen, chancenreichen Abenteuer Zukunft konstruktiv begegnen zu können. Nur gemeinsam werden wir uns neu erfinden können!“ (Die ganze Rede finden Sie hier.)
Lernen „on the job“
Aus allen Redebeiträgen und Nebenbeigesprächen wurde deutlich, dass wir alle viel zu lernen haben, um in diesem Abenteuer unser Zeit bestehen zu können. Und zwar „on the job“. Während die rasanten Veränderungsprozesse bereits laufen, müssen wir lernen, wie wir sie miteinander fair gestalten.
Dafür braucht es jetzt in einem großen Umfang zukunftsorientierte berufliche Bildung, aber auch politische, ja, zivilgesellschaftliche Bildung. Und dazu ist der IG Metall mit der Inszenierung dieser Kundgebung ein überzeugender Beitrag gelungenen.
Sie hat dazu beigetragen in bester Stimmung „Verständnis aktueller Problemstellungen und die Fähigkeit zur Herausbildung einer wohlbegründeten Meinung“ (Carlo Strenger) zu wecken. Komplexität, Zuversicht und gute Laune schließen sich keineswegs aus.
Komplexität und gute Laune
Wenn nur einige von den 50 000 vor der Bühne beginnen, in ihren Heimatregionen nach Bündnispartnern Ausschau zu halten, wenn sie die Botschaften der Kundgebung in ihr Umfeld tragen und mit Leben füllen, ist viel gewonnen.
Auf die komplexen neuen Herausforderungen und Fragen gibt es keine einfachen Antworten, wir müssen und können nur gemeinsam neue Antworten auf die neuen Fragen unserer Zeit finden – das hat die IG Metall ihren Mitgliedern und uns allen erneut deutlich gemacht. Und genauso rufen wir das nachpopulistische Zeitalter aus: Diakonie mit anderen kann auch so aussehen.
Herzlichen Dank und herzlichen Glückwunsch, liebe Freundinnen und Freunde von der IG Metall!