#Global Applause. So wird auf Twitter von der UN der Internationale Tag des Ehrenamtes in diesem Jahr gefeiert. Seit 1986 rufen die Vereinten Nationen weltweit dazu auf, sich bei den ungezählten Männern und Frauen zu bedanken, ohne die der Begriff „sozialer Zusammenhalt“ nicht mehr als eine leere Worthülse wäre.
Ich habe ganz konkrete Menschen vor Augen, die mir als Ehrenamtliche begegnet sind. Beeindruckende Persönlichkeiten mit ganz unterschiedlichen Begabungen und Kräften: Die psychisch kranke Frau, die schon lange erwerbsunfähig ist, aber ein paar Stunden in der Woche Gartenarbeit in einem Berliner Kinderhospiz macht; der Manager einer Fluggesellschaft, der über Jahre Freitagsnachmittags am Empfang eines Düsseldorfer Hospiz dafür gesorgt hat, dass Hilfesuchende kompetent und warmherzig empfangen wurden. Ich denke an die Rentnerin, die regelmäßig im Kindergarten vorliest; an den ehemaligen DAX-Vorstand, der mit seinem Knowhow im Kuratorium einer großen Diakonischen Einrichtung wertvolle Impulse gibt. Ich denke an die Mitarbeiterin der Post, die im Ehrenamt Telefonseelsorgerin ist, an den Mittelständischen Unternehmer, der als Kirchengemeinderat gute Ideen für das Fundraising einbringt, an die Ungezählten in der Flüchtlingshilfe. – Freiwilliges Engagement ist so vielfältig wie die Menschen es sind: Einer verschenkt Jahr für Jahr seinen Heiligenabend an Obdachlose, eine andere macht die Buchhaltung für ein Frauenhaus, und wieder andere besuchen mit ihren Hunden einmal im Monat eine Wohngruppe mit Demenzerkrankten. Alle wie sie mögen und können. Freiwillig. Applaus denen, die nicht aufhören, sich zu verschenken.
Auch wir in den Einrichtungen und Diensten der Diakonie wären ohne Ehrenamtliche und ihren Einsatz nicht das, was wir sind. Es wäre so viel weniger Hilfe möglich. Neben den 464.000 Hauptamtlichen, die an den unterschiedlichsten Orten daran arbeiten, die Versprechen des Sozialstaats einzulösen und die Liebe des menschenfreundlichen Gottes erfahrbar zu machen, engagieren sich in den Arbeitsfeldern der Diakonie auch rund 700.000 Freiwillige. Das ist ein riesiger Schatz. Ja, auch ein wirtschaftlicher Faktor, der aber eben nicht mit Geld zu bezahlen ist. Paradoxerweise.
Kritische Stimmen befürchten, dass Ehrenamtliche missbraucht würden. Dass ihre Arbeit eigentlich gutes Geld wert wäre, was ihnen aber vorenthalten wird. Dass der Staat sich aus der Verantwortung stehlen könne, öffentliche Gelder immer weniger flössen, wenn Menschen sich als Freiwillige „ausbeuten“ ließen. Auch Verbände wie die Diakonie, hört man, sparten sich dank vieler Ehrenamtlicher das eine oder andere Gehalt.
Ich höre diese Kritik, und ich nehme sie ernst, wo sie auf echte Missstände hinweist. Aber ich weigere mich zu glauben, dass unsere Gesellschaft besser dran wäre, wenn das Ehrenamt in klingender Münze bezahlt würde. Im Gegenteil: Das Ehrenamt widerspricht dem „Geld regiert die Welt“-Geist in eleganter Beiläufigkeit. Unsere Gesellschaft wäre ein unwirtlicherer Ort, wenn es die Männer und Frauen nicht gäbe, denen es eine Ehre ist, an dem Netz der Solidarität mit zu knüpfen, das unserer Gesellschaft innere Stabilität verleiht. Für manche ist das der selbstverständliche Ausdruck ihres Glaubens, andere entdecken erst durch ein Ehrenamt ihre Spiritualität der Nächstenliebe. Beide ist im Sinne Jesu. Freiwillig Engagierte schenken ihre Zeit und ihre menschenzugewandte Kompetenz. Sie sind unersetzbar. Das verdient nicht nur am Internationale Tag des Ehrenamts globalen Applaus, sondern ganzjährig Standing Ovations.