Es mag manchen vielleicht überraschen: Aber ein Versicherungskonzern und ein Wohlfahrtsverband spielen im selben Team. Heute und morgen jedenfalls. Denn heute übernimmt Diakonie Deutschland von der Allianz die organisatorische Verantwortung für das Berliner Demografie-Forum.
Zum 6. Mal findet dieser hochrangig international besetze Think Tank auf Zeit statt – unter Beteiligung von drei Bundeministerien, der Vodafone Stiftung, dem Wittenberg Zentrum für Globale Ethik, der European School of Management and Technology (ESMT) oder dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Um nur einige zu nennen. Franz Müntefering – Bundesminister für Arbeit und Soziales a.D. hat den Vorsitz des Beirates, dem auch ich seit wenigen Monaten angehöre. Gehört das wirklich zu den Aufgaben eines Diakonie-Präsidenten? Ich finde schon.Worum geht es bei diesem Demografie-Forum? Es ist ein überparteiliches, globales Diskussionsformat, in dem sich Männer und Frauen aus Wissenschaft und Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – unter ihnen auch Kirche und Diakonie – mit den Folgen des demografischen Wandels nicht nur für unser Land beschäftigen. Demografischer Wandel ist das vornehme Wort für die Alterung unserer Gesellschaft. Ein Megathema – mit starkem Einfluss etwa auf Fachkräftemangel, Pflegenotstand, Generationengerechtigkeit, Finanzierung des Sozialstaates und und und. Die Folgen des demografischen Wandels für unser Land sind eine Querschnittsaufgabe in Politik und Gesellschaft, zu der auch die Diakonie eine Menge zu sagen hat. Dass wir an dieser Stelle Verantwortung übernehmen, im Austausch mit anderen Kräften der Zivilgesellschaft, halte ich für ein Gebot der Stunde. In unserer gleichzeitig multireligiösen und säkulareren Gesellschaft können und wollen wir uns mit unserem Menschenbild und unseren Ideen von Teilhabe selbstbewusst einbringen. Ich ermutige immer wieder dazu, in Diakonie (und Kirche) Partner außerhalb unseres „Milieus“ zu identifizieren, mit denen wir gemeinsam die Idee einer Gesellschaft realisieren, an der alle gestaltend teilhaben können – auch die Schwächsten, für die Diakonie sich einsetzt.
Ungewohnte Allianzen
Im Grunde sind ungewohnte Allianzen nichts Neues, sie sind quasi der zweite Vorname der Diakonie. Unser heterogener Verband versammelt so viele verschiedene Kompetenzen unter seinem Dach, wir verstehen, miteinander zu streiten und versuchen dennoch unseren Kurs zu halten. Wir arbeiten als soziale Arbeit der evangelischen Kirche gemeinnützig, für alle, die unsere Arbeit in Anspruch nehmen möchten. Wir können Brücken zwischen Menschen bauen und Probleme lösen – darin sind wir gut.
In den kommenden Tagen treffen wir beim Demografie-Forum sehr unterschiedliche Gesprächspartnerinnen und –partner, auch aus anderen Ländern. Unsere Stimme als Diakonie ist eine unter vielen, aber diese Möglichkeit, unsere Werte, Fragen, Anregungen, Erfahrungen einzuspeisen in Diskurse, die auf lange Sicht gesellschaftsgestaltende Kraft entfalten können, wollen wir nicht verstreichen lassen. Was für eine Chance, ein solches Forum auch in den kommenden Jahren moderierend mit vorbereiten zu können.
So verstehe ich dieses 6. Berliner Demografie-Forum – als eine Denkwerkstatt der Verschiedenen mit unterschiedlichen Kompetenzen, die gemeinsam an dem Ziel arbeiten, unser Land als lebenswerten Ort der Verschiedenen – auch der verschiedenen Generationen – zu gestalten.
„Bildung und Integration“ ist die Überschrift des diesjährigen Forums. Die regelmäßigeren Leserinnen und Leser dieses Blogs wissen, dass ich den Begriff der Integration nicht nur auf die Themen Flucht, Vertreibung, Migration oder Einwanderung beschränkt sehe. Bildung und Integration in die offene Gesellschaft sind vielmehr Aufgaben für Menschen jeglicher Herkunft und Muttersprache. Wer in diesem Teil der Welt lebt – in Deutschland, in Europa, in einer unserer freiheitlichen Demokratien – ist gefordert, sich in diese freie, offene Gesellschaft der Verschiedenen zu integrieren. Und umgekehrt sind unsere freien, offenen Gesellschaften der Verschiedenen gefordert, allen Menschen, die hier leben, Teilhabe und Mitwirkung zu ermöglichen. Das ist „der Deal“, von dem alle profitieren. In diesem Sinn ist Integration ein Fremdwort für Zukunft sehen.
Für die Schwachen
Wie gesagt, in der Diakonie arbeiten wir gemeinnützig für die Schwächsten unserer Gesellschaft: Für Menschen in schwierigen Lebenslagen, für Arme, Alte, Kranke, Pflegebedürftige, für Menschen mit Beeinträchtigungen. Diese Arbeit für die Schwachen, das ist mein Credo, geschieht im Interesse aller. Auch im Interesse des Wirtschaftsstandorts Deutschlands. Jeder Mensch soll teilhaben können. Daran arbeiten bei der Diakonie bundesweit 464 000 Hauptamtliche und rund 700 000 freiwillig engagierte Menschen.
Meine Aufgabe, die Aufgabe von Diakonie Deutschland im Berliner Demografie-Forum, besteht darin dafür zu sorgen, dass die Interessen der Schwachen den Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Politik, aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft nicht aus dem Blick geraten. Ihre Interessen sind unser aller Interessen – nichts anderes meinte die biblische Option für die Armen, auf die wir uns berufen. Wenn es den Schwachen gut geht, blüht das Land, davon schreiben eine Reihe der biblischen Autoren.
Wir haben nun zwei Tage Zeit, um miteinander ins Gespräch zu kommen, um ein Team zu werden, mit einem gemeinsamen Ziel. Ich freue mich darauf und hoffe auf nachhaltige Allianzen für offene und zukunftsfähige Gesellschaften, in denen wir alle zuhause sein wollen.