Erster Tag der Offenen Gesellschaft

Die Offene Gesellschaft ist das Zuhause unserer Kirche. Dass wir in einer freien Gesellschaft Kirche sein dürfen, ist ein historisches Glück. Deswegen haben auch Christinnen und Christen an diesem Samstag, am 17. Juni, einen Grund zum Feiern. Die Initiative Offene Gesellschaft und Diakonie Deutschland rufen zum ersten „#dafür – Tag der Offenen Gesellschaft“ auf.

Eine Tafel mit vielen Menschen
Der Prototyp – die erste Tafel letztes Jahr am Washingtonplatz in Berlin. Für den 17. Juni haben sich jetzt schon fast 400 Tafeln bundesweit angemeldet. © Hermann Bredehorst

 

Die Idee: Ab 17 Uhr stellen wir unsere Tische und (Garten-)Stühle auf die Bürgersteige, auf Marktplätze oder Dorfwiesen, in die Kleingärten oder auf die Kirchvorplätze und setzen uns im ganzen Land zu Tisch mit Freunden und Familie, Nachbarn und Fremden. Wir widmen unsere Tischgemeinschaft – privat oder öffentlich – der Offenen Gesellschaft. Jede und jeder bringt etwas zu essen und zu trinken mit. Nach dem Fastenbrechen kommen auch die muslimischen Freundinnen und Nachbarn noch dazu. In Berlin gibt es bislang 65 Tafeln. Ob es noch mehr werden?  Das liegt auch an Ihnen! Mehr unter: www.die-offene-gesellschaft.de.

Doch was hat das mit Diakonie und Kirche zu tun? Die Tischgemeinschaft, in der christlichen Theologie ein zentrales Symbol für Versöhnung und Gemeinschaft, stellt auch kulturübergreifend so etwas wie einen Konsens menschlichen Miteinanders dar: Sie steht für Gastfreundschaft und Offenheit. Und: Wir alle müssen essen und trinken, wir alle sollen satt werden können. Von der Tischgemeinschaft aus lässt sich eine Gesellschaftsordnung entwerfen: Alle sollen satt werden.

Forum für die schweigende Mehrheit

Im März vergangenen Jahres habe ich das erste Mal über die Initiative Offene Gesellschaft gebloggt. Seit Herbst 2015 bereits tourt sie als zivilgesellschaftliches Demokratieprojekt durch Deutschland. Wir wollen in Zeiten, in denen antidemokratische und menschenfeindliche Stimmen lauter werden, der großen schweigenden Mehrheit der Demokraten ein Forum geben. In diesem Forum sollten wir Christen vorkommen: mit unseren Fragen, unserem Welt- und Menschenbild, mit Nächstenliebe, Neugier und Heiterkeit. Die Offene Gesellschaft stößt Debatten an, steht für Streitkultur und schafft neue Begegnungen und Verbindungen: Tausende Menschen von Schwedt bis Saarbrücken, von Stralsund bis Freiburg i.Br. sind inzwischen den Einladungen zu ihren Debatten gefolgt. Und immer geht es unter der Fragestellung „Welches Land wollen wir sein?“ nicht um rasche Ergebnisse, sondern um Austausch, der nicht abgebrochen wird oder in Aggressivität erstarrt, wenn es kontrovers wird. Wir müssen herausfinden aus der Konsensdemokratie und mehr Streit wagen, die Offene Gesellschaft weist einen Weg. Das ist gelebte Demokratie. So oft es geht, nehme ich an solchen Diskussionsrunden teil.

Es ist mir wichtig, dass wir Christen uns als Mitgestalter und Mitdenkerinnen der offenen (und sozial fairen) Gesellschaft begreifen. Ich wünsche mir auch in den Kirchen mehr engagierte Einsatzfreude für unser freies, vielfältiges Land. Sind Sie dabei?

(zuerst erschienen in: Die Kirche. Evangelische Wochenzeitung, Berlin, 14. Juni 2017)