1,8 Millionen Stunden Hilfsbereitschaft

Heiterkeit, Höflichkeit und Hilfsbereitschaft können die Welt in einen angenehmeren Ort verwandeln. Allein deswegen haben mir Sätze wie „Da kann man nichts machen“ oder „Was soll ich schon tun?“ noch nie eingeleuchtet. Niemand soll mit den eigenen Händen, die Welt, die Gesellschaft oder auch die Diakonie retten. Aber es ist verhältnismäßig einfach, das Miteinander von Menschen etwas freundlicher zu gestalten – es kostet kaum Mühe. Und was kann erst erreichen, wer sich ein wenig mehr Mühe macht…?

Frau hält Patientin im Bett die Hand
Die „Grünen Damen“ nehmen sich Zeit, wenn niemand Zeit hat © eKH

Ich habe aus aktuellem Anlass gerade nochmal über Brigitte Schröder (1917-2000) gelesen, die Gründerin der Evangelischen Kranken- und Alten-Hilfe (eKH), eine bemerkenswerte Frau: „höhere Tochter“, Zahnarzthelferin, erkämpfte sich 24-jährig, mitten im Krieg, unterstützt von ihrem Verlobten, trotz der Nürnberger Gesetze, die Erlaubnis zu einer Fernhochzeit. Später dann Kommunalpolitikerin, Kirchengemeinderätin, Kuratorin des evangelischen Krankenhauses Düsseldorf und und und. 1969 rief sie die Evangelische Kranken- und Alten-Hilfe ins Leben, einen Verein, in dem heute noch mehr als 8400 Frauen und fast 720 Männer freiwillig und ehrenamtlich 1,8 Millionen Stunden im Jahr in Krankenhäusern und Altenheimen arbeiten. 1,8 Millionen Stunden Heiterkeit, Höflichkeit und Hilfsbereitschaft, die in den Patientenzimmern fehlen würden. So etwas kann nur Ehrenamt!

Grüne Damen, grüne Herren

Die Initiative einer einzelnen Frau mit einer guten Idee verändert noch nach bald 50 Jahren sehr konkret den Alltag von kranken und alten Menschen. In meiner Zeit als Krankenhausseelsorger in Düsseldorf habe ich sie oft getroffen, die guten Geister in den grünen Kitteln, die deswegen „Grüne Damen“ oder „Herren“ genannt werden. Menschen, die im Klinikstress nicht mithetzen müssen, die sich Zeit nehmen können zum Reden und Zuhören, aber auch für kleinere Besorgungen, zum Vorlesen oder Spielen oder als Hilfe beim Packen der Tasche, wenn es aus dem Krankenhaus in die Reha geht und niemand sonst Zeit zum Helfen hat. Auch in der kleinen Warteschleuse vor dem OP etwa, wenn es einem oft kalt und ein bisschen klamm ums Herz ist.

Man kann nichts machen? Unsinn. Brigitte Schröder wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Sie hat vorgelebt, was wir alles machen können. Am kommenden Montag wird ihr zu Ehren in Berlin ein Festakt gefeiert. Passend zur Woche des bürgerschaftlichen Engagements, die wir gerade begehen. Dass ich an dieser Feierstunde nicht teilnehmen kann, bedaure ich sehr. Denn Diakonische Arbeit in Deutschland lebt vom Einsatz der über 700 000 Freiwilligen. Brigitte Schröder war eine von ihnen. Ihr Beispiel macht Mut. Und stellvertretend für all die Freiwilligen, die das Gesicht der Diakonie prägen, möchte ich mich heute bei Brigitte Schröder bedanken – und bei den rund 9000 Grünen Damen und Herren: Sie verändern die Welt – mit den kleinen lebenswichtigen Dingen. Mit Heiterkeit, Höflichkeit und Hilfsbereitschaft.
Danke.