Netzwerken – wir in der Diakonie beginnen zu begreifen, was das wirklich bedeutet: Für unsere Arbeit in den verschiedenen Handlungsfeldern, für unsere Strukturen und auch für das Miteinander mit der „verfassten Kirche“. Sicher ist: Um als evangelische Minderheit wirksam zu bleiben, werden wir gemeinsam mit der verfassten Kirche genau das lernen müssen.
Hier die Kirchengemeinde und der Gottesdienst, dort die diakonische Praxis und der Menschendienst – dieses selbstbezogen-unchristliche und theologisch fragwürdige Nebeneinanderher darf aufhören. Es schwächt Kirche u n d Diakonie.
Kompetenzen der Diakonie
Vielmehr braucht einerseits eine kleiner werdende (und immer noch relativ große) Kirche in säkularer und zugleich religiös vielfältiger werdenden Umgebung die Kompetenzen der Diakonie. Nicht nur um bildungsbürgerliche Milieuverengungen aufzulösen, sondern um ihrem Selbstverständnis gerecht zu werden.
Und eine unternehmerische Diakonie, für die es schwieriger wird überhaupt Mitarbeitende zu finden und ein evangelisches Profil zu bewahren, braucht andererseits eine andere Verankerung in den Gemeinden.
Auch darum ist mir midi, die neue Evangelische Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung so wichtig: eine echte Kooperation von EKD, Diakonie Deutschland und AMD.
In dieser Woche haben wir midi in Berlin mit einem Gottesdienst mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung, Bischof Dr. Dr. h.c. Markus Dröge, einem Empfang und einer anschließenden Auftakttagung feierlich eröffnet.
Kurswechsel mit midi
Für Außenstehende wirkt das vielleicht nicht besonders aufregend. Doch für alle, die sich besser auskennen, steht midi für einen Kurswechsel: Die Arbeitsstelle ist Ausdruck der Einsicht, dass evangelische Kirche und evangelische Diakonie gemeinsam eine bessere Zukunft haben.
Evangelisches Profil der Diakonie und eine diakonische Kirche lassen sich im Zusammenspiel zukunftsfähig und menschenfreundlich prägen. midi verweist also auf das Paradigma Kooperation: Kirche und Diakonie miteinander – und mit anderen.
Wenn wir unsere Erfahrungen und Perspektiven beginnen zusammenzudenken, können auch Fragen und Antworten eine andere Tiefendimension bekommen.
Neue Gemeindekonzepte?
Etwa: Wenn Diakonie Kirche ist, und wir davon ausgehen, dass jede qualifizierte und menschenfreundliche Altenpflegerin (ob getauft oder nicht) im Geist Jesu Christi handelt – was bedeutet das für Mission?
Oder: Wenn Gemeinde wirklich diakonisch ist – was bedeutet das für den Gottesdienst?
Oder: Wenn in einer Evangelischen Einrichtung überwiegend konfessionslose Menschen arbeiten, die sich zwar identifizieren mit dem „Geist des Hauses“, aber doch konfessionslos bleiben wollen – braucht es vielleicht neue Gemeindekonzepte, damit diese Menschen werden, was sie schon sind: Teil der Gemeinde Jesu Christi? Auf Zeit, in einem Erprobungsraums des Glaubens?
Kommune und Kirche
Frei nach Johannes Rau ist der „Sozialraum“, die konkrete Nachbarschaft – Rau sagt: „die Kommune“ – der Ernstfall der Demokratie. Das, was derzeit auch in der Bundespolitik wiederentdeckt wird, gilt meines Erachtens auch für uns: Die immer diverser werdenden sozialen Räume, also unsere Dörfer, Stadtteile, Kieze und Kommunen sind auch der Ernstfall von Kirche und Diakonie.
Gerade dort, „vor Ort“, sind wir präsent und gefordert, die Zukunft unserer Gesellschaft zu prägen. Und die Zukunft unserer Kirche. Denn die Kirchengemeinden bieten (noch) eine hohe sozialräumliche Vernetzung, die sonst nur Bäckereien, Apotheken und vielleicht noch Tankstellen aufweisen. Und auch diese Vernetzung können wir noch besser nutzen.
Gemeinde als Lernort
Darum können gerade Kirchengemeinden für das Einüben eines sich bereichernden Zusammenlebens in unserer immer vielfältiger werdenden Gesellschaft wunderbar geeignete Lernorte werden. Und der Geist Gottes, der in unseren Gemeinden Ausdruck finden will, ist eine lebendige und inspirierende Basis für diese Öffnung.
Dabei geht es darum, alle Formen und Ausprägung von Exklusion zu entdecken und zu beseitigen. Integrierende, in diesem weiten Sinne „inklusive“ Gemeinden können an die Ausstrahlung der ersten frühchristlichen Gemeinden anknüpfen, die sich in dieser Hinsicht von der Praxis ihrer Umwelt unterschieden.
Thinktank und Experimentierraum
midi soll ein vom Geist des Gekreuzigten und Auferstandenen inspirierter Thinktank sein, ein Experimentierraum eines zeitgenössischen Glaubens, ein Labor einer austrahlungsfähigen Kirche und Diakonie von morgen: Wenn es gut läuft, wird midi einsammeln, vormachen, anstoßen, was dann in der Fläche weiter ausprobiert und entwickelt werden will.
midi kann vorangehen, kann Formate schaffen, Materialien entwickeln, Austausch organisieren, eben helfen, das Netzwerk zu knüpfen, in dem wir gemeinsam mit anderen Partnerinnen und Partnern wirksam werden können für eine menschenfreundlichere Gesellschaft, in der Gottes Liebe erfahrbar werden kann; hoffentlich auch an ungewöhnlichen Orten oder zu interessanten Zeiten für religiös Unmusikalische, Suchende, Alleinlebende ebenso wie für Hilfesuchende oder die, die ihren Glauben mit anderen teilen und feiern wollen.