Diakonie auf dem Kirchentag

Unerhört! Was für ein Vertrauen. Der Deutsche Evangelische Kirchentag in Dortmund. Natürlich sind wir hier mit allen Marken des EWDE: Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Diakonie Deutschland. Ein großes Team, an verschiedenen Standorten – auf der Messe und in der Stadt.

Ulrich Lilie, Maria Loheide und Hermann Gröhe
Auf dem Kirchentag vernetzten: Hier mit Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik Diakonie Deutschland und dem ehemaligen Gesundheitsminister Hermann Gröhe

Beim gemeinsamen Frühstück Im Hotel vervielfältigt sich das eigne Erleben im Austausch mit den anderen aus dem Team. Für einen alleine ist dieses vielfältige, quirlige, diskussions- und sangeslustige Christentreffen ja gar nicht zu fassen. Das Gefühl, etwas zu verpassen, kann sehr groß werden. Aber wenn man sich austauscht, die Erlebnisse miteinander teilt, vervielfältigen und verbinden sich die Eindrücke. Auch hier gilt eben: Wer zuhört, erfährt einfach mehr.

Forum Diakonie

Mein Tag begann gestern mit einem Rundgang in der Messe im Forum Diakonie. Die halbe Halle 6 bespielt die Diakonie in diesem Jahr.Fast 50 Träger, Einrichtungen, und Diakonische Werke aus dem ganzen Bundesgebiet – und darüber hinaus. Heute besuche ich den Stand der Diakonie Polen.

Ein Mosaik diakonischen Handelns also – von den Motorradfahrern in der Suchtselbsthilfe, die eine Harley mitgebracht haben, bis zu den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, vom Kreisdiakonieverband im Landkreis Esslingen bis zum schon traditionellen Café Inklusiv, das auf keinem Kirchentag mehr fehlen darf.

Wir können mehr

Ich freue mich über die Teilnahme und das Interesse und denke doch auch: Wir könnten noch so viel mehr. Wir sind doch ein Faktor in unserer Gesellschaft, wir von der Diakonie: Mehr als 700 000 Ehrenamtliche, über 525 000 Hauptamtliche. Ca. 10 Millionen Menschen erhalten von der Diakonie Betreuung, Beratung, Pflege und medizinische Versorgung.

Wir gestalten den Sozialstaat, um es mal salopp zu sagen. Ja, gemeinsam mit den anderen in der freien Wohlfahrt. Aber wir in der Diakonie haben – zusammen mit der verfassten Kirche – dieses unfassbar weit gespannte „Filialnetz“.

Wenn wir uns in unserer Vielfalt erkennbarer präsentieren würden – was könnten wir alles erreichen? Welche Impulse könnten wir setzen?

Violett und Cyan

Zentraler Blickfang und Aufmerksamkeitsmagnet in der Halle 6 ist für mich auch deswegen die Diakonie-Bühne in Violett und Cyan. Unsere Farben sind ein echter Hingucker. Und dass wir unsere Unerhört-Kampagne und das Schwerpunktthema Kennenlernen auch hier in die Fläche bringen, findet  viel Resonanz.

Viele Besucherinnen und Besucher kennen die Kampagne bereits von den Plakaten, die seit bald zwei Jahren überall in Deutschland zu sehen sind, und die Daumen gehen eigentlich immer nach oben. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow zeigte sich bei seinem Rundgang beeindruckt, teilte mir per WhatsApp das Standteam mit.

Kulturelle Highlights und Politik

Auf dieser Bühne wechseln kulturelle Highlights aus unseren Arbeitsfeldern mit sozialen und politischen Gesprächsrunden; zwei Gottesdienste gibt es auch. Heute singt Ralf Niehaus, der Gitarre spielende Barde aus der Radstation in Hamm, über den ich im Blog schon mal geschrieben habe, und gestern Morgen, als ich in die Halle 6 kam, sorgte die vergnügt ohrenbetäubend-lebendige inklusive Trommelgruppe Samba Sole vom Wittekindshof in der ganzen Halle für mitklatschende und tanzende Gesprächspausen.

Gestern Nachmittag habe ich auf der Bühne mit Anja Reschke und Armin Laschet, dem Ministerpräsidenten von Nordrheinwestfalen über die Frage von Zusammenleben und Respekt diskutiert. Für Kevin Kühnert morgen, er hat leider kurzfristig abgesagt hat, suchen wir noch eine würdige Vertretung.

Solche Begegnungen mit Politikern und Politikerinnen in Verantwortung sind Chancen. Deswegen nehme ich auch die Empfänge, zu denen die politischen Parteien während der Kirchentags einladen, gerne wahr: Viele informellen Begegnungen und Gespräche öffnen Türen und führen regelmäßig zu Folgeterminen in Berlin.

Premiere Barcamp

Einen Termin, den ich nicht wahrnehmen konnte gestern, obwohl er mir sehr am Herzen lag, war das Barcamp „Das soll doch noch gesagt werden dürfen!“, das die Unerhört!-Kampagne in Kooperation mit dem Kirchentag mitten in der Stadt veranstaltet hat. Und zwar in der Reihe „Hauptpodium“, also als zentrale Veranstaltung. Der Tenor: Bürger*innen mit Sorgen treffen auf besorgte Bürger.

Alles sollte zur Sprache kommen dürfen – ohne Tabus. Es war ein Versuch, die Idee konkret werden zu lassen, die hinter der Unerhört-Kampagne steht: nämlich das respektvolles Zuhören der Anfang von aller Veränderung ist. Ich habe mich gefreut, als die SMS kam: “Das ist hier hervorragend gelaufen”-  und  Kirchentagspräsident Hans Leyendecker war dabei.

Gemischte Gefühle

Wir hatten durchaus gemischte Gefühle und wussten im ja Grunde nicht, wer und was da auf uns zukommen würde. Das Besondere an einem Barcamp ist nämlich, dass die Themen vorher nicht festliegen, sondern von den Teilnehmenden bestimmt werden. Inhaltlich wird nicht interveniert.

Was unser Team mir erzählt hat, ist sehr spannend: Fast 200 Leute sind gekommen und haben nach gemeinsamer Themenfindung zwei Stunden in verschiedenen Gruppen von 5 bis 50 Teilnehmenden über Themen wie „Umgang mit Flüchtlingen“ „Gibt es eine Schweigespirale in Deutschland“ und „Der Umgang des Kirchentages mit der AfD“ geredet.

Aber auch zu Fragen wie „Sollen medizinische Behandlungen priorisiert werden?“, „Was kann die Kirche für den Klimaschutz tun?“ oder „Wie geht man mit Fremden um?“ Die Atmosphäre war konstruktiv, oft kontrovers, aber wohl immer respektvoll.

Zuhören ist der Anfang

Wir fühlen uns bestätigt: Zuhören ist der Anfang. Es ist gerade in diesen Zeiten der sich erhitzenden Empörungsdebatten wichtig, sich Positionen anzuhören, auch wenn man sie überhaupt nicht teilt, um sich gegenseitig in Ruhe und Respekt zu erläutern, warum man es anders sieht. Das ist der Königsweg im Miteinander. Gerade in einer Gesellschaft, die wie die unsere, so vielfältig ist und immer heterogener wird.

„Wir sind die Himmelsgucker“, soll ein junger Klimaaktivist in der Gruppe zum Klimaschutz gesagt haben.  Und er erläuterte: Wenn in einer Fußgängerzone zwei Menschen stehen bleiben und an den Himmel schauen, gehen die anderen weiter. Aber wenn es sechs sind, die den Kopf in den Nacken legen, dann lassen sich die anderen unterbrechen, bleiben stehen und blicken auch nach oben. Wenn sich etwas ändern soll, muss jemand den Anfang machen. Wir sind die Himmelsgucker.

Himmelsgucker werden

Mit diesem hoffnungsvollen Bild grüße ich Sie aus Dortmund. Ich war nicht dabei, als diese Worte in einer Diskussionsgruppe fielen. Sie waren nicht dabei. Aber was der junge Mann gesagt hat, ist stark und hoffnungsvoll: Die “Häupter erheben”, zusammen mit anderen den eigenen Blick weiten und mehr zum Himmel schauen. Das ist Kirchentag.