Mit Zukunft – Diakonie und Kirche

Diakonische Kirche mit Zukunft – Kirche und Diakonie mit anderen“ ist der Titel des Vortrags, mit dem ich gestern die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland in Bad Neuenahr thematisch eröffnen durfte.  Ich habe mich sehr gefreut über die Einladung. Vor allem aber darüber, dass sich die zweitgrößte Landeskirche Deutschlands mit Ausstrahlung in vier Bundesländern – Nordrheinwestfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Hessen – für das Schwerpunktthema „Diakonie“ entschieden hat. Das halte ich strategisch für zukunftsweisend.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie während der Rede
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie hält den Eröffnungsvortrag während der Diakoniesynode der Evangelischen Kirche im Rheinland. Bild: ekir.de/Hans-Jürgen Vollrath

Bleibende Relevanz

Denn die bleibende gesellschaftliche Relevanz der evangelischen Kirche wird sich auch daran entscheiden, wie es uns gelingen wird, die Kompetenzen und Stärken der „ungleichen Zwillinge“ Diakonie und Kirche klüger und gemeinsam einzusetzen.

Nur, wenn wir lernen, gezielter zu kooperieren, wenn Kirchengemeinden und diakonische Unternehmen, Einrichtungen und Werke näher zusammenrücken, können wir als große evangelische Minderheit auch in Zukunft in der Gesellschaft wirksam werden.

Und die Gesellschaft braucht uns, braucht die Kraft einer zivilisierten Religion – gerade weil sie diverser und gleichzeitig säkularer und multireligiöser wird.

Gerade weil die Vorstellungen der Menschen, was ein gutes Leben ausmacht, in unserem Land heterogener werden, braucht es Orte, die eine ausstrahlende Kultur der Menschenfreundlichkeit pflegen, die niemanden ausgrenzt. Kirchengemeinden und Diakonie können das – es liegt in ihrer jüdisch-christlichen DNA.

Sozialem Klimawandel begegnen

Dabei wäre es ein Missverständnis zu sagen, wir täten das, um unsere Strukturen zu erhalten. Unsere Strukturen müssen sich wandeln. Es geht vielmehr darum, dem sozialen Klimawandel in unserem Land früh genug etwas wirksam entgegenzusetzen.

Damit an den Orten, wo wir zuhause sind, die Alten und Kinder, die Kranken und Schwachen nicht auf der Strecke bleiben, müssen auch wir als Kirche und als Diakonie neue Wege gehen. Gemeinsam mit Partnern in der Zivilgesellschaft.

Neue Wege gehen

Und zwar in jeder der 687 Kirchengemeinden im Rheinland, in jedem der 37 Kirchenkreise, gemeinsam mit den 2, 5 Millionen Gemeindemitgliedern und natürlich den rund 340 000 Menschen, die beruflich oder ehrenamtlich in Einrichtungen der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe arbeiten.

Und das gleiche sollte in allen anderen Landeskirchen der EKD geschehen. Wenn wir das tun, bleiben wir auch im 21. Jahrhundert als große Minderheit in einer vielfältigen Gesellschaft hoch relevant.

Kirchentonart Kooperation

Denn in dem Dreiklang „Kirche und Diakonie mit anderen“ schwingt eine diakonische Kirche mit Zukunft, als intermediäre Gemeinschaft in der Zivilgesellschaft. Das ist die neue „Kirchentonart“ der Kooperation und des Netzwerkens. In dieser Harmonie können wir einladende, verbindende, Gemeinschaft ermöglichende Orte der Verantwortung „komponieren“.

Das heißt: Noch können wir das. Denn noch sind wir mit unseren Gotteshäusern und diakonischen Einrichtungen überall im Land präsent. Mit unserem flächendeckenden Netzwerk der Menschenfreundlichkeit Gottes tragen wir Mitverantwortung für unsere Gesellschaft, die immer weiter auseinanderdriftet.

Türen öffnen

Wenn wir diese Verantwortung tatsächlich annehmen und beginnen, gemeinsam strategisch zu handeln – was wird dann alles möglich sein?! Eine diakonische Kirche mit Zukunft öffnet die Türen. Sie strahlt aus ins Gemeinwesen und entdeckt und beseitigt in ihrem Wirkungsbereich konkrete Formen und Ausprägung von Exklusion.

Und in der Einübung so Gemeinde zu werden, kann jede Beratungsstelle, jede Kontaktstube, jede Wohngruppe oder Stadtteilinitiative, aber auch die Wohnungsbaugesellschaft in der Nachbarschaft helfen. Damit auch aus Vielfalt ein „wir  hier“ entstehen kann.

Mehrdimensionale Kirche

Eine so gedachte mehrdimensionale diakonische Kirche mit Zukunft, braucht – das liegt auf der Hand – neue Strukturen und Kompetenzen.

Ein anderes Maß an „Mehrsprachigkeit“: in Bezug auf die unterschiedlichen „Systemlogiken“ von Kirche und Diakonie, in Bezug auf unterschiedliche Nähen und Distanzen zur Kirche und unserem Glauben und in Bezug auf die religiöse wie die säkulare Vielstimmigkeit im Lande.

Sie braucht außerdem ein neues theologisches Verständnis davon, wie sich Wirklichkeiten und Fragen der christlichen Lebensgestaltung im digitalen Zeitalter selbst organisieren und schneller und netzwerkartig entwickeln können.

Drängende Fragen

Wie kommen wir in gemeinsame, dynamischere Prozesse? Was machen wir mit selbstgemachten Regeln oder Traditionen, die uns bei Licht betrachtet nur behindern? Das sind drängende Fragen.

Wir werden gleichzeitig über ihre Antwort nachdenken und schon handeln müssen. Wir werden ausprobieren müssen. Wir werden Fehler machen und aus ihnen lernen. Es ist ein rasanter Prozess, und er hat schon begonnen. Beispiele im Vortrag.

Entscheiden!

Ich habe jedenfalls die Frage der Expertin für kirchliche Communities bei unserem Besuch von Facebook vor zwei Jahren nicht vergessen: „Ihr kommt von der EKD?“, stellte sie fest. „Ihr solltet euch entscheiden, ob ihr Menschen fischen oder das Aquarium bewachen wollt?“

Der ganze Vortrag findet sich zum hier und zum Nachlesen und –hören

 

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