Nun also Ostern

„Denn sie fürchteten sich.“ So endet das Osterevangelium, das in diesem Jahr in vielen Gottesdiensten vorgelesen wird. Es ist ein störrischer Text aus dem Markusevangelium. Er sperrt sich. Der biblische Auferstehungsmorgen bricht in einer zerborstenen Welt an. Das dominierende Gefühl ist Furcht.

Wie fängt Frieden an? Das traditionelle Ostersingen im sorbischen Schleife erinnert an die Auferstehungszeuginnen am Grab. Foto: epd-bild/Matthias Rietschel

Wie gut können wir derzeit an dieses Gefühl andocken: der so nahe gerückte Krieg mit unsäglichem, von Menschen über Menschen verhängtem Leid, die Pandemie, die Inflation und über allem die Bedrohungen des globalen Klimawandels. Die Furcht ist zurück als gesellschaftliches Problem.

In der Karfreitagswelt

Willkommen in der Karfreitagswelt. Unsicherheit, Verzweiflung, das Leiden, der gewaltsame Tod. All das gehört von jeher zur Verletzlichkeit des Menschen, zu unserem Menschsein. Es lässt sich aber recht gut ignorieren, solange man selber satt, froh und in Sicherheit ist – wie die meisten auf dem Kontinent um einen herum auch. Doch das ist nun auch in Europa wieder Geschichte.

Und nun Ostern. Die Christenheit feiert den Auferstandenen, feiert, dass der Tod und die Trennung von Gott besiegt sind. Sie feiert die Gewissheit, dass Liebe und Leben sich bei und trotz alledem durchsetzen werden. Sogar, sich bereits durchgesetzt h a b e n. Was für ein hallendes Veto gegen das, was wir täglich vor Augen haben, wenn wir die Nachrichten verfolgen.

Das Osterevangelium, der Raum für die Begegnung mit dem Auferstandenen, öffnet sich in den Lärm und das Leid der Zeit hinein. Mitten in dieser Welt von Furcht und Zittern entfaltet sich der Frieden, der höher ist als all unsere Vernunft. Behauptet die Christenheit. Ostern beginnt – Gott sei Dank – in der Karfreitagswelt.

Gesten der Menschenfreundlichkeit

In dieser Welt haben sich auch vor gut 2000 Jahren drei Frauen auf den Weg gemacht, um dem geschundenen Leichnam ihres ermordeten Freundes eine letzte Ehre zu erweisen. Ihn wie einen geliebten Verstorbenen zu behandeln, zärtlich, respektvoll: den Hinrichtungsdreck abwaschen, die Spuren der Misshandlung salben. Lauter Handgriffe der die Würde wiederherstellenden Zuneigung, die kein Tod beenden kann. So wie der Tod nie die Liebe beenden kann. Es sind Gesten der menschenfreundlichen Verbundenheit – der eigenen Angst und den widrigen Umständen abgetrotzt.

Wie Frieden beginnt

Grundsätzlich ändern solche Gesten nichts. Oder doch? – Sie behaupten  mitten in der Welt der Schinder, dass Mitmenschlichkeit stärker ist als die Mächte der entfesselten Entmenschlichung. Und: Diese Gesten haben eine Herkunft. Hinter ihnen steht eine Haltung, die sich nicht, nie abfinden will, mit den Zumutungen der Gewalt.

Fängt so nicht immer und überall Frieden an? Mit der Verteidigung der Mitmenschlichkeit?! Sei es auf Golgatha oder in Butscha, an den Außengrenzen Europas oder an einem anderen der ungezählten Schauplätze menschlicher Grausamkeit.

Ostern ist ein anderes Wort dafür, dass das Undenkbare möglich ist. Ja, dass u n s das möglich ist. Durch alle Furcht hindurch. Weil Christus auferstanden ist in unsere Furcht hinein. Im Evangelium öffnet sich ein weiter Raum, eine Tür in eine andere Wirklichkeit.

Die neue Wirklichkeit

„Er ist nicht hier“, hören die Frauen, die dachten, einen Toten zu finden. Stattdessen entdecken sie mitten in ihrer alten, geborstenen Welt diese neue Wirklichkeit, in der Engel auftreten und auch sonst andere Regeln gelten. „Reich Gottes“ nennen das die Evangelien und skizzieren Erstaunliches: Lahme gehen, Blinde sehen, Aussätzige werden rein und Arme verkünden die gute Botschaft. Ostern werden die Gesetze der „normalen“ Welt auf den Kopf gestellt. Andere sagen: Sie werden endlich auf die Füße von Mitmenschlichkeit, Frieden und Gerechtigkeit gestellt.

Das Osterwunder geschieht mitten in unserer Karfreitagswelt. Jetzt und jederzeit. Und die Boten und Botinnen dieses Osterwunders sind Menschen, die nicht müde werden, diese neue Wirklichkeit tatsächlich zur Welt zu bringen. Lauter Geburtshelfer der Liebe. Furchtsame Frauen und Männer und andere, die aber einfach nicht aufhören wollen, sich gegen die Übermacht der Gewalt zu widersetzen.

Team Auferstehung

Mir gefällt der Gedanke, dass das „Team Auferstehung“ viel größer ist, als wir in und außerhalb der Kirchen zu denken gewohnt sind. Das ist eine gute Nachricht in bedrückenden Zeiten.

Team Auferstehung: Am Hauptbahnhof in Berlin bieten Bürger:innen Unterkünfte für die Flüchtlinge aus der Ukraine an. Foto: epd-bild/Rolf Zöllner

Unter dem Dach der Diakonie machen wir viele gute Erfahrungen damit. Es braucht starke Allianzen im Engagement für ein mitmenschlicheres Leben. Gemeinsam widersprechen wir den destruktiven Kräften von Beziehungsabbruch und Gewalt; beharren auf der Macht der Mitmenschlichkeit, schaffen andere Wirklichkeiten und öffnen Räume, in die sich das Reich Gottes hineinentfalten kann. So waltet Gott mit uns in der Welt. Gott braucht uns.

Die österliche Hoffnung

Dietrich Bonhoeffer, vor 77 Jahren im April im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet, formuliert – in der Haft nachdenkend über das Wirken Gottes in der Geschichte – diese österliche Hoffnung so: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.“

Darauf verlasse ich mich. Das Osterwunder geschieht mitten in unserer Karfreitagswelt und es zieht – gottgewollt – Kreise. Jetzt und allezeit.

Ihnen und Ihren Lieben eine gesegnete Karwoche und frohe Ostern.