„…der schönen Gärten Zier“

Blühende Gärten, überall in Deutschland: Oasen für Singvögel, Insekten und Menschen. Kleinste, kleine und größere Lebensräume, die das Klima, die Luft- und Lebensqualität in der Nachbarschaft nachhaltig verbessern helfen. Neue Lieblingsorte, die zum Verweilen einladen, zum Mitgestalten und Nachahmen. 30 Projekte dieser Art gibt es bereits unter dem Dach der Diakonie in Württemberg. Damit es bundesweit mehr werden, auch deswegen haben der NABU (Naturschutzbund Deutschland) und Diakonie Deutschland beschlossen zusammen zu arbeiten.

Naturnahe Gärten schützen das Klima: Die Kooperation der Evangelischen Heimstätten/Stuttgart mit dem NABU ist wegweisend. Foto: Diakonie/Verena Müller

Was könnte noch alles wachsen, wenn Impulse aus Natur- und Artenschutz systematischer ins weitverzweigte Netzwerk der Diakonie in Deutschland eingespeist würden? Was würde sich im Land verändern, wenn diakonische Unternehmen ihre vielen Grünflächen, Gärten und Balkonkästen nachhaltig gestalten? Wir reden von gut 31 000 Einrichtungen im Bundesgebiet.

NABU und Diakonie

Aber auch andersherum ist es interessant: Wieviele art- und naturgerechte Projekte könnte die NABU-Basis in der Zusammenarbeit mit Kindergärten, Einrichtungen der Jugend- oder Behindertenhilfe, mit Krankenhäusern und Alten- und Pflegeheimen vor Ort Wirklichkeit werden lassen?

In dieser Woche haben die Vorstände von Diakonie Deutschland und dem NABU in Berlin ein Memorandum unterzeichnet, um genau das zu tun: abgestimmt zu kooperieren. Wir wollen in unseren beiden mitgliederstarken Verbänden ermöglichen helfen, dass die Menschen, die haupt- und ehrenamtlich mit uns arbeiten, einander als Partner entdecken.

Das Ziel: Gemeinsam wollen wir am Erreichen der Klimaziele Deutschlands mitwirken und gleichzeitig die Lebens- und Arbeitsräume von Bewohnerinnen und Klienten, Patienten und Mitarbeitenden verbessern helfen. Eine blühende Schmetterlingswiese mitten in Stuttgart freut nicht nur Herz und Sinne aller, die dort sitzen oder Pause machen, sie verändert nachweislich auch das Mikroklima rund um das Haus.

Blühende Erfolgsgeschichte

Wie gut das funktionieren kann, erprobt seit 2020 das größte Pflegeunternehmen Baden-Württembergs in dem NABU-Projekt „Blühende Gärten. Miteinander für mehr Vielfalt“, eine blühende und summende Erfolgsgeschichte: Inzwischen arbeiten an 30 Standorten der Evangelischen Heimstiftung Diakonie und NABU  gemeinsam daran, die Grünanlagen naturnah und insektenfreundlich zu gestalten.

Wie gesagt: Davon profitieren alle – die Bewohner:innen der Einrichtungen und ihr Besuch, die Angestellten der Häuser und die Nachbarschaften, in denen sich die Standorte befinden. Es sind echte Leuchtturmprojekte, und da allein die Heimstiftung über 156 Einrichtungen verfügt, wird es weiterwachsen und blühen.

Das Beispiel der Blühenden Schmetterlingsgärten macht konkret und erneut erlebbar, wie fruchtbar es sein kann, wenn wir als Diakonie lernen, mit anderen Partnern in Quartieren und Sozialräumen zusammen wirksam zu werden.

Mehr Lebensqualität

Solche Projekte und die damit verbundenen im Wortsinn nachhaltigen Investitionen wirken ja immer nach innen und nach außen. Und sie verankern die soziale Arbeit, mit der die Diakonie mit den unterschiedlichsten Menschen unterwegs ist, noch tiefer im Gemeinwesen:

Naturnahe Gärten um eine Einrichtung der Altenpflege, ein Krankenhaus, einen Kindergarten heben die Lebensqualität im ganzen Umfeld. Nicht nur die der Schmetterlinge und Singvögel. So wird die sozial-ökologische Transformation konkret, die unsere Gesellschaft nun unter hohem Druck zu gestalten hat.

Eine Veränderung zu mehr Nachhaltigkeit birgt eben nicht nur Zumutungen und Verzicht, sie schafft auch eine neue Lebensqualität, wenn wir lernen Ökologie, Ökonomie und Soziales neu zusammen zu denken. Auch für dieses neue Denken und Handeln steht diese Kooperation zwischen einem sehr großen Wohlfahrtsverband und einem der größten Naturschutz- und Umweltverbände in Deutschland.

Ungewohnte Allianz:  Diakonie-Präsident Ulrich Lilie mit NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger (rechts) nach der Verzeichnung des Memorandums in Berlin. Foto: Diakonie/Lucas Seifert

Ungewohnte Allianzen

In Anbetracht der Klimakrise, des Biodiversitätsverlusts, einer sich weiter öffnenden Schere zwischen arm und reich, einer zunehmenden gesellschaftlichen Diversität und einer gefährdeten gesellschaftlichen Teilhabe braucht unsere Gesellschaft mehr „Blühende Gärten“ und viel mehr von solchen zunächst ungewohnten Allianzen. Natürlich nicht nur auf Verbands- und Vorstandsebene, sondern vor Ort, in der Fläche. Jede diakonische Einrichtung, jeder NABU-Ortsverein kann dazu beitragen einen Unterschied machen – mit unserem Rückenwind und tatkräftiger Unterstützung.

Zusammen werden wir uns in Deutschland für einen ambitionierten und sozial gerechten Klimaschutz, umfassende Teilhabemöglichkeiten, eine Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts sowie den Erhalt der Biodiversität einsetzen. So haben wir es in unserer Vereinbarung festgehalten.

Gemeinsam wollen wir abgestimmte Beiträge zur Bewältigung der sozial-ökologischen Transformation leisten und so unseren Teil dazu beitragen, dass Deutschland seine Klimaziele bis 2045 erreichen kann. Wir wollen ein Teil der Lösung sein.

Unterschätzter Faktor

Viele diakonische Einrichtungen investieren heute bereits in Photovoltaik und in energetische Sanierungen, stellen auf E-Mobilität um, betreiben ökologische Land- und Forstwirtschaft und engagieren sich für nachhaltige Berufskleidung und gegen Lebensmittelverschwendung. Die Sozialwirtschaft ist ein von der Politik noch unterschätzter Faktor für die sozial-ökologische Transformation.

Wir können noch viel mehr leisten, wenn die Instrumente und Kriterien der Finanzierung bzw. Refinanzierung im Sozialgesetzbuch „nachhaltig“ angepasst würden. Bislang folgen die Sozialgesetzbücher noch der schlichten Logik, „billig geht vor nachhaltig“. Hier wartet auf die Koalition eine überfällige politische Gestaltungsaufgabe für eine kohärentere und nachhaltigere Sozial- und Umweltpolitik aus einem Guss. Neben Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit muss nun Nachhaltigkeit als Grundprinzip in die Sozialgesetzbücher aufgenommen werden.

Auch die Kooperation mit dem NABU sendet ein entsprechendes Signal in Richtung Politik. Das viel zu kurzsichtige „Tortenstück“-Denken der Ressort-Politik muss im Sinne der sich eben einander bedingenden und aufeinander einzahlenden 17 Ziele der Sustainable Development Goals (SDG)  von einem weitsichtigen politischem Denken und Handeln abgelöst werden. Wir brauchen den Blick auf die ganze „Torte“, sonst wird es schwer mit der vielbeschworenen sozial-ökologischen Transformation.

Kohärenter Politikstil

Dafür brauchen wir einen neuen kohärenten ressortübergreifenden Politikstil und eine Klima-Investitionsoffensive für die Sozialwirtschaft. Zusätzlich zur Neuregelung in den Sozialgesetzbüchern wären kurzfristig Förderprogramme sinnvoll, die berücksichtigen, dass gemeinnützige Unternehmen keine hohen Eigenanteile leisten können und auch synergetische Partnerschaften wie die von NABU und Diakonie finanziell unterstützen.

Als Diakonie bestehen wir auch darauf, dass die nicht aufschiebbare sozial-ökologische Transformation unserer Gesellschaft, keine neuen sozialen Verliererinnen und Verlierer schafft. Die Herausforderungen sind groß, die Bedingungen denkbar kompliziert: Die Corona-Pandemie ist noch nicht ausgestanden. Der Ukraine-Krieg bringt unermesslichem Leid hervor und hat heftige Konsequenzen auch für die deutsche Gesellschaft. Steigende Nahrungsmittel- und Energiepreise sind nur ein Beispiel dafür. Die Klimakrise betrifft uns alle.

Das in seiner ganzen Komplexität anzuerkennen und weder in kopflosen Aktivismus noch in gelähmten Fatalismus zu verfallen, ist die historische Aufgabe der Stunde. Hoffen ist ins Gelingen verliebt.

Neues Handeln

Die jetzt schon blühenden Gärten in Stuttgart skizzieren einen Weg des neuen Denkens und Handelns und der Kooperation, den zu beschreiten sich lohnt. Jetzt erst recht. Wenn es NABU und Diakonie zusammen gelingt, Allianzen schmieden und in konkreten Projekten vor Ort den Wandel einzuleiten, haben wir viel gewonnen. Wir wollen es hinkriegen und  „noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“

P.S.: Vielleicht gibt es bereits anderswo Diakonie-Projekte mit dem NABU, von denen wir in Berlin noch nichts wissen? Lassen Sie es uns wissen. Wir wollen uns gerne vernetzen. Kurze Mail an die Fachreferentin genügt: johanna.gary@diakonie.de