Jeder Mensch hat einen Namen

Gute fünf Tage waren wir seit Sonntag letzter Woche auf Einladung unserer Geschwister von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland zu Gast in Israel.

Willkommen in der Knesset: Die Delegation der BAGFW-Reise mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Mitte). Foto: ZWST.

Begleitetet von der Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Lisa Paus und einigen ihrer MitarbeiterInnen hatten wir Gelegenheit zu sehr interessanten gemeinsamen Gesprächen, etwa mit dem Deutschen Botschafter Steffen Seibert und dem Leiter des ZDF-Studios für den Nahen Osten Michael Bewerunge. Wir hatten die große Ehre, vom Präsidenten des Staates Israel Isaac Herzog  zu einem Austausch über unser deutsches System der Wohlfahrtspflege  eingeladen zu sein.

Modell Subsidiarität

Er zeigte sich sehr beeindruckt sowohl von der Leistungsfähigkeit der sechs Verbände als auch vom besonderen subsidiären Aufbau der gemeinnützigen Hilfen für Menschen in Not in Deutschland. Vielleicht ein Modell für Israel mit seinem großen Netzwerk an NGOs in der Pflege und in der Sozial- und Beratungsarbeit?

Seit 30 Jahren besteht diese gute Tradition einer gemeinsamen Reise nun, und ich hatte Gelegenheit, zweimal mit dabei sein zu dürfen. Immer öffnen sich neue Perspektiven in den politischen Gesprächen und Begegnungen: Etwa  mit dem beeindruckenden Minister Israels für Labour, Social Affairs an Social Services Meir Cohen, der seine Arbeit vor allem als friedensstiftende Brücke zwischen den sehr unterschiedlichen Menschen im Land versteht.

Im kleinen vertraulichen Kreis sprachen wir auch  mit der nicht weniger beeindruckenden Gesundheitsministerin der palästinensischen Autonomiebehörde Dr. Mai al-Kaila in Ramallah, die unter schwierigen politischen Bedingungen um eine bestmögliche Versorgung der palästinensischen Bevölkerung ringt.

Und nicht zuletzt haben wir auch bei dieser Reise wieder zahllose Anregungen von den  Vor Ort-Besuchen in sozialen und gesundheitlichen Einrichtungen in den palästinensischen Autonomiegebieten wie in Israel mitnehmen können:

Beeindruckende Praxis

Da ist der Rettungsdienst „Magen David Adom“ (Roter Schild Davids) mit seinen – wie es dem stellvertretenden Direktor besonders wichtig war – bezahlten und nicht-bezahlten Mitarbeitenden jüdischen, muslimischen und gar keinen Glaubens, die hochprofessionell Seite an Seite um das Leben und die schnellst- und bestmögliche Versorgung von Anschlags- wie von Unfallopfern und Erkrankten kämpfen.

Da ist das fachlich bestechende Förderzentrum für (Kleinst-)Kinder mit angeborenen Seheinschränkungen und deren Eltern: Mit einer facettenreiche Therapie wird geholfen, Entwicklungsverzögerungen zu kompensieren oder sogar zu verhindern und werden Eltern beraten und unterstützt, um Überforderung zu vermeiden.

Da ist die segensreiche Arbeit des Roten Halbmondes, der mit einer Ambulanz auf vier Rädern schwangere Frauen in den ländlichen Gebieten der Autonomiegebiete versorgt. –  Ich nehme sehr viele Bilder, sehr viele Anregungen aus  einer faszinierenden Reihe von Gesprächen und Begegnungen mit nach Hause.

Erinnern in Yad Vashem: BAGFW-Präsident Ulrich Lilie mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Abraham Lehrer, dem Präsidenten der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Foto: ZWST.

Erinnerung wachhalten

Ein besonderer Höhepunkt war unser gemeinsamer Besuch in Yad Vashem, der internationalen Gedenkstätte an die Menschheitsverbrechen des Holocausts. Hier hatten die Ministerin Pau und ich die Ehre, nach einer uns alle tief beeindruckenden und erschütternden Führung einen Kranz in der Gedenkhalle für die Opfer der Shoa niederzulegen und eine Rede zu halten.

Meine Rede können Sie hier nachlesen.

Beschämend

Noch am Abend dieses Besuches schickte mir Abraham Lehrer, der Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, im Hotel kommentarlos die Nachricht über einen antisemitischen Angriff auf einen Rabbi und seinen Sohn in der Berliner S-Bahn am gleichen Tag.  Es ist unerträglich und beschämend, dass ausgerechnet in Deutschland solche schrecklichen Gewalttaten wieder möglich sind

Unser aller entschiedenes Eintreten gegen jede Form von Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bleibt unsere vornehmste Pflicht.