Nächste Woche treffen wir Steffi Lemke, die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Auf den ersten Blick kein selbsterklärender diakonischer Termin. Auf den zweiten aber schon. Wir, das sind übrigens Jörg-Andreas Krüger, der Präsident des Naturschutzbundes (NABU) und ich.
Blog-Leser:innen erinnern sich: Der NABU und Diakonie Deutschland sind im Frühjahr eine strategische Partnerschaft eingegangen. Unser Ziel: Ökologie und Soziales ab sofort zusammenzudenken und entsprechend zu handeln. Die Anfänge sind gemacht. Aber wenn unsere Bemühungen langfristig und nachhaltig Früchte tragen sollen, brauchen wir dazu den Rückenwind einer kohärenten Sozial- und Umwelt-Politik. Davon wollen wir die Bundesministerin überzeugen.
Der politische Bezugsrahmen, auf den wir uns beziehen, sind die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDG). Diakonie und NABU verbindet die gemeinsame Einsicht: diese sozial-, gesundheits-, und bildungspolitischen Ziele der SDG ergänzen sich nicht nur mit den im engeren Sinne ökologischen Zielen, sie bedingen sich gegenseitig viel mehr jeweils auch.
Ökologisch u n d sozial
Darum gilt es jetzt, einen neuen kohärenten Politikansatz zu entwickeln, der diese Ziele sachgerecht verbindet und vor Ort zu entsprechende Initiativen ermutigt. Dazu müssen die SDGs mit ihren ökologischen, sozialen und gesundheitspolitischen Aspekten als Gesamtanliegen verstanden und umgesetzt werden. Vernetzendes Denken ist gefragt.
Was das konkret bedeuten kann, zeigen NABU und die Diakonie mit dem ambitionierten Projekt, die Außenflächen diakonischer Einrichtungen in Zusammenarbeit mit NABU-Gruppen vor Ort naturnah und insektenfreundlich zu gestalten.
Wenn das bei rund 30.000 diakonischen Einrichtungen gelingt, kann die Diakonie nicht nur einen großen Beitrag zum Artenschutz leisten, sondern auch mit daran arbeiten, dass Städte grüner werden und sich bei Hitzeperioden weniger aufheizen.
Sozialwirtschaft und Klimaschutz
Die Sozialwirtschaft kann und will eine Rolle beim Natürlichen Klimaschutz spielen. Die Frage ist – was tut die Politik, um dieses Engagement, das der Gesellschaft als ganzer zu Gute käme, zu fördern?
Denn es geht ja nicht allein um Grünflächen: In der gegenwärtigen Energiekrise etwa wird deutlich, dass die diakonischen Träger und Einrichtungen gut dastehen, die sich schon in der Vergangenheit nachhaltig aufgestellt haben, und ihre eigene Energie produzieren. Ökologische Nachhaltigkeit dient der Versorgungssicherheit.
Aber auch für solche Umstellungen auf eine klimaneutrale Wirtschaftsweise brauchen wir die Unterstützung der Politik! Förderprogramme spielen sicher eine wichtige Rolle. Noch wichtiger aber ist eine gesetzliche Initiative: Der Nachhaltigkeitsgedanke muss in den Sozialgesetzbüchern verankert werden.
Nachhaltige Sozialgesetzbücher
Anderenfalls wird das Konzept der Nachhaltigkeit bei Beschaffungsentscheidungen keine Rolle spielen. Es wird immer „überstochen“ von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Eine Umweltpolitik, die das nicht im Blick hat, und mit dem entsprechenden Politikressort in Verhandlungen geht, wird immer zu kurz springen.
Kohärenter Politikstil heißt dann beispielsweise auch, darauf hinzuwirken, dass auch soziale und pflegerische Dienstleistungen, die von öffentlichen Stellen ausgeschrieben werden, nachhaltig erbracht werden dürfen. Auch wenn das – nur auf den ersten Blick – mehr Geld kostet. Wenn sich die Nachhaltigkeitsziele nicht in der Art der Refinanzierung niederschlagen, haben sie keine Chance auf Umsetzung.
Ein anders Beispiel: Die Diakonie hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu wirtschaften. Die Rechtsträger der Diakonie arbeiten bereits an entsprechenden Nachhaltigkeitsstrategien.
Gute Beispiele deutschlandweit sind eigene Photovoltaikanlagen, energetische Sanierungen, ökologische Landwirtschaft, nachhaltig und fair produzierte Berufskleidung, Vermeidung von Lebensmittelverschwendung oder die Umstellung von Fuhrparks auf Elektromobilität. Viele Rechtsträger tun dies systematisch mit Hilfe eines Nachhaltigkeits-Managementsystems, wie zum Beispiel EMASplus oder der Gemeinwohlökonomie. So weit so gut.
Wahnsinnig unattraktiv
Aber auch hier stoßen wir immer wieder an Grenzen. Denn solche Investitionen für Klimaschutz sind für gemeinnützige Träger nicht alleine zu stemmen. Wir dürfen ja keine Gewinne erwirtschaften oder große Rücklagen bilden. Auch hier brauchen wir die Unterstützung der Politik. Denn bisher sieht die Logik der Refinanzierung der sozialen Arbeit zu wenige Spielräume für ambitionierte Nachhaltigkeitsmaßnahmen vor.
Im Bereich „sozialer Immobilien“ ist es derzeit im Grunde unattraktiv, klimafreundlich zu investieren. Was wahnsinnig ist: Denn allein der Gebäudebereich verursacht bis zu 40 Prozent der klimaschädlichen Emissionen. Was für ein Einspar-Potenzial bei Zigtausenden Sozialimmobilien!
Zu wenig Anreize
Doch bislang gibt es zu wenig Anreize, energiesparend zu wirtschaften. Dabei würden sich nachhaltige Investitionen langfristig auch für die Steuerzahler:innen auszahlen: durch bessere Bausubstanz, Einsparung von Ressourcen und eine höhere Lebensqualität.
Kurz: Wir haben ungeahnte Gestaltungsmöglichkeiten. Oder: Wir hätten sie, wenn wir tatsächlich verstünden, dass sozial, ökonomisch und ökologisch zusammengehören. Ein gut und weitsichtig orchestriertes Zusammenspiel wäre ein Hebel mit großer Wirkkraft. Neben politischen Weichenstellungen sind verlässliche Rahmenbedingungen und Finanzierungsmodelle notwendig.
Aber auch ressortübergreifende Absprachen im Bund, auf Landesebene und auf lokaler Ebene wären ein guter Anfang, damit der Umweltschutz nicht an den Fördervorgaben für das Sozialdezernat scheitert. Hier liegt die politische Gestaltungsaufgabe einer kohärenten und nachhaltigen Umwelt- und Sozialpolitik. – Wir haben also viele Themen mit der Umweltministerin zu besprechen.