„Trotzdem“ ist ein Lieblingswort des Heiligen Geistes. Ähnlich wie „Geht nicht, gibt’s nicht“, um den Werbeslogan eines Heimwerkermarkts zu zitieren. Und deshalb ist Pfingsten – dieses am wenigsten kommerzialisierte Hochfest der Kirchen – vielleicht ein guter Anlass, um sich ein bisschen fröhlichen Trotz anzueignen. Der „Spirit der Liebe“, der weht, wo er will, bringt eine Brise heiter-verwegener Kühnheit.
Dennoch geht mir das Wort Spiritualität nicht so flüssig über die Lippen. Ich bin Pfarrer und kann mit geprägten Begriffen wie Glaube oder sogar Frömmigkeit viel anfangen. Diese Worte verbinde ich mit Lebendigkeit, intensiv gelebtem Leben. Meine ganze Biographie, beruflich, privat, mit allen Facetten, mit allen Fragen, spielt im Resonanzraum dieser Worte.
Funkelnde Spriritualität
„Spiritualität“ dagegen bleibt mir ferner, klingt wie ein wenig präziser Containerbegriff. Erst wenn ich die Rede von Spiritualität mit der Kraft in Verbindung setze, die wir in den Kirchen „Geist Gottes“ nennen, beginnt er für mich zu funkeln. Dann verbindet er sich mit Raum eröffnenden Perspektiven: „Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“, kann man bei Paulus lesen.
Und dabei verstehe ich sehr gut, dass es viele Menschen gibt – auch unter dem Dach der Diakonie übrigens –, denen es genau andersherum geht: Wen beim Wort „gläubig“ akute Atemnot überkommt, wer Frömmigkeit nur als Enge erfahren hat, kann die „Freiheit der Kinder Gottes„, um die es bei der Rede vom Geist immer geht, verständlicherweise erst erleben, wenn aus dem „Glaubensweg“ eine „spirituelle Reise“ wird. – „Der Geist weht, wo er will.“ Noch so eine Raum eröffnende Formulierung der Bibel.
Spirit der Liebe
Als soziale Arbeit der evangelischen Kirche ist die Diakonie eine wichtige Stimme im Chor der spirituellen und religiösen Vielfalt unseres Landes. Bei uns arbeiten in jedem Fall Menschen, die mit dem Raum eröffnenden „Spirit der Liebe“ etwas anfangen können.
Die Christ*innen unter ihnen verbinden diesen besonderen „Spirit“ mit ihrem Glauben an einen menschenfreundlichen Gott, der sich in Jesus Christus gezeigt hat. Die anderen orientieren sich allein an der Menschenfreundlichkeit, vielleicht an der Menschenfreundlichkeit Jesu.
Beide akzeptieren einander, beide sind gleich wichtig und in beiden atmet der ermutigende und Raum schaffende Geist Gottes, davon bin ich überzeugt. Gott wurde Mensch, nicht Christin oder Christ.
Kriterien des Geistes
„Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder“, schreibt Paulus im Römerbrief. Dafür gibt es Kriterien, denn der Geist des lebendigen Gottes ist alles andere als beliebig. Grob gesagt gilt: Wo der Geist wirkt, geht es raus aus Enge und Angst, raus aus der Todesverfallenheit und raus auch aus der Lieblosigkeit. Manchmal führt einen der Geist auf diesem Weg in die Wüste, erzählen die alten Geschichten – aber das ist kein Grund zum Fürchten: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
Träume, Visionen, Gesichte gehören zur besonderen Rationalität der Geistkraft. Das ist nicht einfach für jene unter uns, die lieber aus dem Maschinenraum des Kirchenschiffs argumentieren, als auf schwankendem Boden aufzuwachen. Die besser schlafen können, wenn alles seine Ordnung hat, und auch die Strukturen den faszinierenden Charme von Jahrhunderten Geschichte ausstrahlen. Trotzdem: „Ein feste Burg“ ist wahrscheinlich nicht die Hymne der Geistkraft.
Spirit der Diakonie
Und genauso schafft sie Gemeinschaft, spricht viele, eigentlich alle Sprachen und bringt Menschen an Deck und ins Licht, denen sonst wenig zugehört wird: Alte, Kinder, Knechte, Mägde, Hirten, Menschen mit Behinderung. „Gottesfurcht“ gefällt ihr, sofern Gott die Liebe ist; ein sanftes Säuseln, ein Hauch, der befreit.
Mit der Geschichte vom „Barmherzigen Samariter“ erklärt Jesus Christus den Spirit der Diakonie, was Nächstenliebe bedeutet: für Menschen in Not ist schlicht Eines entscheidend: Dass ihnen überhaupt geholfen wird – nicht von wem.
Und noch etwas bleibt bemerkenswert und diakonisch inspirierend: Der Samariter verkörpert nicht nur die Barmherzigkeit Gottes, er besitzt nicht nur ein menschenfreundliches Herz, er hat auch Ressourcen und Knowhow – ein Reittier, Wissen über Wundversorgung und Geld. Wirksame Nächstenliebe ist eine Frucht des Geistes – und sie kostet gleichwohl Geld. Auch das gehört in den Horizont des Geistes.
Frohe Pfingsten
Am Wochenende feiern die Kirchen Pfingsten: „Schmückt das Fest mit Maien, lasset Blumen streuen, zündet Opfer an; denn der Geist der Gnaden hat sich eingeladen, machet ihm die Bahn. Nehmt ihn ein, so wird sein Schein euch mit Licht und Heil erfüllen und den Kummer stillen“, heißt es in einem der schönsten Pfingstlieder unseres Gesangbuches.
Der befreiende, liebevolle Geist Gottes spricht wirklich sehr viele Sprachen. Darauf können wir uns verlassen. Lichtvolle und frohe Pfingsten! Trotz alledem!