Wo bleibt das Evangelische in der Diakonie?

Mein Blogbeitrag vom vergangenen Mittwoch zur Frage, ob und wo Diakonie und Kirche sich als Arbeitgeberin auch für muslimische oder atheistische Mitarbeiter öffnen sollte, und wie sich gleichzeitig das evangelische Profil halten lässt, hat erfreulich viele Menschen zu Beiträgen und Reaktionen angeregt. Auf Facebook zum Beispiel. Vielen Dank für die anregende und über weite Strecken sehr konstruktive Diskussion.

Kinder und Jugendliche beim Training. © Kathrin Harms & Esteve Franquesa
Kinder und Jugendliche beim Training. © Kathrin Harms & Esteve Franquesa

Ich möchte noch einmal auf das Thema zurückkommen: Es geht mir bei meinen Plädoyer für eine umsichtige Lockerung der Loyalitätsrichtlinie, nicht um ein Aufweichen des evangelischen Profils der Diakonie oder gar um eine „Religionsmischung“. 

Es geht mir vielmehr um die Öffnung für zukünftige Kolleginnen und Kollegen, die einer evangelischen (Unternehmens)Kultur nahestehen können, auch ohne Mitglied einer Kirche zu sein UND die Schärfung des evangelischen Profils. Wie das gehen kann – das werden wir in Kirche und Diakonie gemeinsam herauszufinden habe. Aber wir sind ja nicht erst seit gestern dabei, uns Gedanken über das Diakonische Profil zu machen.

Dennoch bin ich überzeugt: Wir werden uns weiter öffnen müssen, schlicht weil sich unsere Gesellschaft ändert: Sie ist gleichzeitig multireligiöser und säkularer. Es hat keinen Sinn, das zu ignorieren. Mit unserer Gesellschaft wird auch die Klientel „bunter“, um die sich diakonische Einrichtungen zu kümmern haben: Alte, Kranke, Sterbende, Behinderte – Menschen mit und ohne Migrationshintergrund -, Flüchtlinge, Familien, Obdachlose und all die anderen, die schon heute von der Diakonie kompetent unterstützt werden – unabhängig von Konfession oder Religion.

Und auch der Arbeitsmarkt verändert sich, das Angebot von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Darauf müssen Kirche und Diakonie reagieren: Es gibt immer weniger Pflegekräfte, die gleichzeitig evangelisch und qualifiziert sind. Wenn sich unter Pflegekräften religionsferne oder andersgläubige Menschen finden, die ihre Expertise in einer Einrichtung der Diakonie einbringen möchten, sollte es dafür Möglichkeiten geben. Es kann – wie ich bereits vergangene Woche schrieb – wirklich gute Gründe geben, eine Kindergärtnerin beispielsweise aus einer türkischen Familie, die in einer evangelischen Einrichtung arbeiten möchte, in die überwiegend nichtchristliche Kinder gehen, einzustellen. Eine solche Frau dürfte ohnehin nicht streng religiös sein, sondern eher liberal in ihrem Glauben. Entscheidend sind ihre kulturellen Kompetenzen für Kinder und Eltern der dritten Generation und genauso wichtig ist, sie ist eine fähige Kindergärtnerin und macht sich das Leitbild des Kindergartens in ethischen und pädagogischen Fragen zu eigen. Ähnliches lässt sich für manche Pflege- und Beratungsangebote denken, oder auch für Sachbearbeitungs- und Bürotätigkeiten unter dem Dach der Diakonie. Wo ich allerdings keinen Spielraum für Ausnahmen von der Regel sehe, sind herausgehobene Leitungspositionen in evangelischen Einrichtungen. Sie müssen von Menschen versehen werden, die von ihrem Glauben und Wissen her dafür sorgen können, dass die „Unternehmenskultur“ evangelisch bleibt. Schon heute gibt es hierfür Anregungen, Fortbildungen und Material. http://www.a-m-d.de/diakonisch-missionarische-profilentwicklung/index.htm

Kurz: Die Diakonie wird wegen neuer nicht-evangelischer Kolleginnen und Kollegen nicht aufhören, die kirchliche Feiertage zu begehen. Wir werden keine Kapelle schließen, keinen Gottesdienst weniger halten und nicht aufhören, den Glauben an den Gekreuzigten und Auferstandenen als Kraftwerk unserer Arbeit zu begreifen. Dafür tragen die Leitungen und Aufsichtsorgane eine wachsende Verantwortung. Sie sind gefordert, Formen und Formate zu entwickeln, die das evangelische Profil für Klienten wie für haupt – und ehrenamtlich Mitarbeitende erkennbar sein lassen. Damit auch Männer und Frauen im Kollegenkreis, die nicht evangelisch glauben, hoffentlich neugierig werden auf den, der unsere Arbeit trägt.