Ich habe vor einiger Zeit einen diplomatischen Fauxpas begangen. Ich habe die politisch nicht korrekte Formulierung „Nützliche Idioten“ gebraucht. Und zwar öffentlich. In einem Interview rund um die Frage, wie ich es beurteile, dass Mitarbeitervertretungen (MAV) unter dem Dach der Diakonie den Dritten Weg in Frage stellen und angefeuert von ver.di in einer Konfliktsituation Front machen gegen die Diakonischen Dienstgeber.

(Dienstgeber, dass sei kurz erläutert, ist der Diakoniebegriff für Arbeitgeber, Dienstnehmer für Arbeitnehmer, gemeinsam sind sie eine Dienstgemeinschaft. Dazu später mehr.)
Ich habe in diesem Interview eine Menge anderes gesagt – über den gnadenlosen Wettbewerb auf dem Markt der Pflege, über den Preiskampf, darüber, dass die Diakonie noch bessere Gehälter zahlt als viele andere Anbieter. Aber o-ton-tauglich war eben diese diplomatische Entgleisung. Es kam im Fernsehen dann so rüber, als würde ich, der Präsident von Diakonie Deutschland, unsere MAV beschimpfen. Was ich in dem Moment ja auch getan habe. Darüber habe ich mich dann gleich wieder geärgert. Denn darum ging es mir wirklich nicht. Ich finde unverzichtbar, dass es die MAV gibt, dass sie für die Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eintritt. Es muss gemeinsam mit den Diakonischen Dienstgebern um gute Arbeitsbedingungen gestritten werden. Gerade weil die Konkurrenz auf dem Markt der Pflege so unerbittlich ist.
Aber ich bin außerdem tatsächlich davon überzeugt, dass sich auf dem Dritten Weg die besten Ergebnisse für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzielen lassen. Und es regt mich auf, wenn ich den Eindruck bekomme, dass die MAV sich von der Gewerkschaft mit ihrer aggressiven Mitgliederwerbung instrumentalisieren lässt. Es wird ein Feindbild geschürt: Die böse Kirche, die böse Diakonie, die ihren Mitarbeitern echte Betriebsräte und das Streikrecht vorenthalte auf der einen Seite und die aufrechten Gewerkschafter, die Kämpfer für die gute Sache, auf der anderen. Diese Polarisierungen sind grundfalsch und helfen überhaupt nicht weiter.
Der Dritte Weg sieht vor, dass sich diakonische Dienstgeber und Dienstnehmer in paritätisch, also zahlenmäßig gleich besetzen Arbeitsrechtlichen Kommissionen über Fragen von Gehalt, Sonderzahlungen, Eingruppierungen etc. verständigen müssen. Ja, der Dritte Weg kennt kein Streikrecht, aber eben auch keine Aussperrung. Wir halten es in der Kirche für angemessener, einen Weg der Auseinandersetzung zu finden, der auf gegenseitige Dämonisierung verzichtet. Stattdessen gibt es ein Schlichtungsverfahren: Wenn sich die Kommission in zwei Anläufen nicht einigen kann, wird ein unabhängiger Schlichter, eine Schlichterin bestellt. Eine Person, die die Qualifikation eines Richters haben muss und in keinem Dienstverhältnis zu Kirche oder Diakonie stehen darf. Dieser Schlichterspruch muss angenommen und umgesetzt werden.
Gerade im Kontext des Wettbewerbs finde ich es unverzichtbar, diese Werte und Methoden der Dienstgemeinschaft, die von der Gewerkschaft gerne verspottet wird, hochzuhalten: Das altmodisch wirkende Wort „Dienstgemeinschaft“ ist ein Störer in der Welt des Schneller, Besser, Mehr. In einer Dienstgemeinschaft geht es nicht in erster Linie um die Vermehrung von Geld, sondern um die Förderung von Menschen. Es geht um Sinn und darum, dem Gegenüber respektvoll zu begegnen – sei es Klient oder Kollegin.
Das Modell Dienstgemeinschaft ist in einer sozialen Dienstleistungsgesellschaft viel moderner als manche, die Kindergärten, Krankenhäuser und Pflegeheime bestreiken wollen, glauben machen wollen.
Und es funktioniert auch im „Arbeitskampf“, das hat sich kürzlich erst wieder erwiesen. Die Diakonischen Dienstgeber haben ihren Versuch, umfangreiche Gehaltsreduzierungen in der Altenpflege durchzusetzen, wieder zurückgezogen. Es gab zwar heftige Konflikte in der Kommission, aber keinen Streik der Dienstnehmer. Ich bin froh, dass der Vorschlag vom Tisch ist, denn es kann nicht angehen, dass hart arbeitenden Pflegekräfte, die in unserer Gesellschaft bei weitem nicht gut genug bezahlt werden, noch weitere Einbußen hinnehmen müssen. Gleichzeitig muss man aber sehen, dass die Einrichtungen der Diakonie in einem Preiskampf stehen. In dieser äußerst schwierigen Situation ist es unendlich wichtig, im Gespräch zu bleiben. Nicht nur in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen der Landesverbände.
Wir im Bundesverband, die wir in diesen Kommissionen kein Stimmrecht haben, werden weiter mit den politischen Gestaltern über die sozialpolitischen Rahmenbedingungen in unserem Land streiten, die diesen Preiskampf in der Pflege heraufbeschwören, und für eine angemessene Entlohnung der Pflege kämpfen. Auch wenn uns manche für nützliche Idioten oder für hoffnungslos naiv halten.
Sehr geehrter Herr Lilie,
ich möchte Sie auf einen Selbstwiderspruch in Ihrem Blogbeitrag aufmerksam machen. Sie schreiben: “Wir halten es in der Kirche für angemessener, einen Weg der Auseinandersetzung zu finden, der auf gegenseitige Dämonisierung verzichtet” und haben bestimmte Mitarbeitervertretungen in der Diakonie “nützliche Idioten” genannt. Dieser Widerspruch wird auch nicht dadurch gemildert, dass Sie die Beschimpfung – genau genommen ist es eine Diffamierung – in einen diplomatischen Fauxpas verkleinern.
Der Sache nach sind meine Einwände aber die Folgenden. Sie schreiben: “Der Dritte Weg kennt kein Streikrecht, aber eben auch keine Aussperrung.” Dazu möchte ich dreierlei anmerken.
Erstens erfüllten Streiks in Deutschland bis 1918 den Straftatbestand der Nötigung. Ab 1920 führte das Betriebsrätegesetz eine Neuerung ein, nämlich die wechselseitige Anerkennung der Konfliktparteien. Dadurch werden in Arbeitskämpfen zur Durchsetzung von Tarifverträgen Konflikt und Kooperation in Balance gebracht.
Zweitens: Streik ist das kollektive Niederlegen der Arbeit. Die Gegenmaßnahme des Arbeitgebers ist nicht die Aussperrung, sondern das Aussetzen der Gehaltszahlung. Beides folgt demselben Zweck: die Regulierung des Konfliktes durch Abschluss eines Vertrags. Die rechtliche Absicherung dieser Form der Konfliktregulierung ist eine zentrale Errungenschaft der Moderne. Für den demokratischen und sozialen Rechtsstaat sind Tarifverträge, die mit unabhängigen und tarifmächtigen Gewerkschaften geschlossen werden, eine Funktionsvoraussetzung. Fehlt sie, besteht der demokratische und soziale Rechtsstaat nicht mehr.
Drittens: Der Gründer des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, Heinz-Dietrich Wendland, hat dieses Konzept der Konfliktpartnerschaft theologisch verstanden als die Umsetzung des Gebotes der Nächstenliebe in der Arbeitswelt. Wendland hat mit dieser Begründung bereits 1959 die Kirchen aufgefordert, Tarifverträge mit den Gewerkschaften abzuschließen. Es lohnt sich, seinen Text zu lesen (Botschaft an die soziale Welt. Furche-Verlag 1959).
Sie schreiben weiter, die ‘Dienstgemeinschaft’ sei ein “altmodisch wirkendes Wort”. Das Wort ist nicht “altmodisch”, und es ist auch nicht alt. Es entstammt dem Gegenkonzept von gewerkschaftlich verhandelten Tarifverträgen, nämlich dem NS-Gesetz zur Ordnung der Arbeit in öffentlichen Verwaltungen und Betrieben von 1934. Caritas, Innere Mission und die Kirchen übernahmen es ab 1936 in ihre Arbeitsordnungen. Die Übernahme war von Zustimmung zum Regime getragen. “Innere Mission und Nationalsozialismus gehören in Deutschland zusammen!” war eine Losung des 9. Diakonentages im September 1933 in Hamburg. Bodelschwingh schrieb 1935: “Wie tief greift das Gesetz für die Ordnung der nationalen Arbeit hinein in unseren praktischen Dienst! Da sehen wir ursprüngliche Gedanken christlicher Ethik Gestalt gewinnen.“ Diese Phase und ihre unvollständige Aufklärung belasten die Kirchen, Diakonie und Caritas bis heute.
Die seit 1952 von Kirchenjuristen aufgerichtete – nun biblisch begründete – kirchliche Dienstgemeinschaft stört nicht in der Welt des “Schneller, Besser, Mehr” der Sozialwirtschaft des 21. Jahrhunderts. Dienstgemeinschaft und Arbeitsrechtliche Kommissionen sichern materielle Konkurrenzvorteile. So sieht das der Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland.
Das Modell der Dienstgemeinschaft kollidiert mit Grundrechten von 1,3 Millionen Beschäftigten. Es ist das Gegenmodell zur gewerkschaftlichen Interessenvertretung. In dieser Hinsicht ist es anti-modern und demokratisch defizitär.
Umso bedauerlicher finde ich, dass Sie, lieber Herr Lilie, – als ein engagierter Förderer der “Initiative Offene Gesellschaft” und mutiger Repräsentant der Diakonie in der Unterstützung von Geflüchteten – das nicht sehen.
Es grüßt Sie freundlich
Dr. Hermann Lührs
Sehr geehrter Herr Dr. Lührs,
ich habe mich ja schon intern bei Ihnen gemeldet, Ihnen für Ihre Rückmeldung gedankt und Sie und die Kollegen zu einem weiteren öffentlichen Austausch zum Thema eingeladen. Ich möchte aber nicht versäumen, unsere Kontroverse auch in die Blogöffentlichkeit zu stellen.
Zunächst, Stichwort: Diffamierung. Sie können sicher sein, dass ich mit den Bremer Kolleginnen und Kollegen, die von meiner sprachlichen Entgleisung betroffen waren, direkt spreche. Ein Termin ist bereits in Planung. Grundsätzlich: Diffamierungen gehören nicht zu meinem Stil, das dürfen Sie mir glauben. Ich lege allerdings nicht die Hand dafür ins Feuer, dass ich zu jeder Gelegenheit staatstragend und besonnen formuliere. Nach meiner Meinung nach gehören konstruktiver Streit (und Befriedung) unbedingt in eine zeitgemäße Dienstgemeinschaft, wie ich sie verstehe. Meinungsverschiedenheiten müssen ausgesprochen und gemeinsam ausgeräumt werden können. Ein falscher Friede kann unsere Sache nicht sein, „political correctness“ gibt es mehr als genug. Das Wort Diakonie stammt aus dem Griechischen und hat nicht nur die Bedeutung „dienen“, sondern eben auch „dazwischen gehen“. Letzteres können wir diakonie intern im Umgang miteinander sicher noch besser lernen – ohne uns gegenseitig zu verletzen oder zu beschädigen. Und als Dienstgemeinschaft – da stimme ich ihnen zu – brauchen auch wir Formen der Konfliktregulierung. Aber, und da gehe ich in Dissens, ich sehe nicht, dass das Mittel in unseren gegenwärtigen Kontexten das Streikrecht ist. Und ich sehe auch nicht, dass der Verzicht auf das Streikrecht im kirchlichen Arbeitsrecht den Rechts- und Sozialstaat aushebelt. Hier haben wir also Gesprächsbedarf.
Das Streikrecht ist in harten Arbeitskämpfen errungen worden. Und das ist gut so. Aber, lieber Herr Dr. Lührs, Diakonische Dienstgeber von heute sind wahrhaftig keine Stahlbarone, die sich auf dem Rücken der Arbeiterschaft bereichern. Damit sage ich nicht, dass das Ansinnen der Diakonischen Dienstgeber in Bremen, die Pflegeeinkommen zu drücken, in Ordnung war. Und es wurde ja auch vollumfänglich zurück genommen. Ohne Streik.
Mein Problem mit dem Streikrecht in der Diakonie ist folgendes: Ein Streik bei uns heute schwächt nicht „das Kapital“ oder setzt politische Bedingungen durch, unter denen zum Beispiel Pflegekräfte mehr Geld bekommen. Ein Streik in unseren Altenheimen, Krankenhäusern, Werkstätten oder Kindertagesstätten macht Alten, Kranken, Behinderten oder kleinen Kindern und deren Eltern das Leben zusätzlich schwer. Und das kann nicht sein. Das entspricht – und jetzt werde ich theologisch – auch unserem gemeinsamen Auftrag nicht.
Auf der anderen Seite – und da sind wir uns wieder vollkommen einig – müssen wir dafür kämpfen, dass soziale Berufe anständig bezahlt werden. Das sage ich bei jeder Gelegenheit meinen Gesprächspartnern in Politik und Wirtschaft, aber auch in unseren Gremien, Einrichtungen und Verbänden. Doch das ist eine andere Front, oder? Wenn wir wollen, dass soziale Berufe besser bezahlt werden, brauchen wir zum Beispiel finanziell gut ausgestattete Kommunen, nachhaltig gut ausgestattete Versicherungssysteme und Kostenträger. Erreichen Sie das, wenn Sie eine diakonische Einrichtung bestreiken könnten? Brauchen wir nicht ganz andere Formen und Formate der Konfliktregulierung? Und könnte da die kirchliche Dienstgemeinschaft nicht modellhaft für die moderne soziale Dienstleistungsgesellschaft werden? Obwohl der Begriff tatsächlich eine schwierige Genese hat und unter fragwürdigen politischen Bedingungen in die Kirche eingezogen ist. Aber ich hoffe, Sie stimmen mir zu, dass Diakonie und Kirche heute die Dienstgemeinschaft anders leben, als die Nationalsozialisten es damals taten.
Dazu kommt, dass wir es in Diakonie und Caritas, wie Sie sehr wohl wissen, quasi amtlich haben – etwa aus Erhebungen von „wohlfahrt intern“ – , dass in unseren Einrichtungen in der Regel bessere Arbeitsbedingungen bestehen, als die in den Tarifverträgen vereinbarten, die ver.di aushandelt. Sind diese geforderten Tarifverträge also wirklich das einzige Heilmittel und beste Instrument für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Oder geht es doch vor allem darum, dass ver.di ein legitimes Interesse hat, den Einflussbereich in der Kirche zu erhöhen? Ich unterstütze sehr, dass wir ehrlich ausloten, ob ein Sozialtarif uns weiterhilft. Wenn wir, d.h. auch unsere Mitarbeitenden dann nicht nach unten reguliert werden, wenn der grundgesetzlich geschützte Weg des Dritten Wegs dabei nicht geschliffen wird und eine Allgemeinverbindlichkeit wie eine Refinanzierung gewährleistet ist, ist das vielleicht wirklich ein guter Weg zu mehr Gerechtigkeit und weniger Lohndumping.
Wie bereits verabredet, bin ich sehr gerne bereit, diese Diskussion sehr gerne in einer größeren Öffentlichkeit zu führen: Ist in unserer diakonischen Dienstleistungsgesellschaft der Streik das Mittel der Wahl, um berechtigte Ansprüche der Arbeitnehmerseite durchzusetzen? Und falls nicht, was sind dann die Mittel, mit denen wir erreichen, dass soziale Beruf besser bezahlt werden. Denn darum geht es doch.
Ich freue mich auf die Fortsetzung unseres Gesprächs außerhalb der virtuellen Welt, und hoffe, dass wir viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter finden werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Ulrich Lilie
Sehr geehrter Herr Lilie,
ohne mich als nützlichen Idioten einzuordnen habe ich mit Spannung ihren Beitrag zur Dienstgemeinschaft in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen gelesen.
Ganz ohne Zweifel kann das System funktionieren, wie ich es seit 25 Jahren in der ARK-RWL erlebe. Dort wurde aber auch bisher nicht behauptet, dass die diakonischen Löhne immer unterhalb dessen liegen müssen, was im öffentlichen Dienst vereinbart – und teilweise erstreikt – wurde.
Dies wurde aber nun in der ARK der Diakonie Deutschland zum Dogma erheben und sogar dahin pervertiert, dass die Dienstgeberseite die Gehälter über verschiedene Wege absenken will. Da kann man lange über Dienstgemeinschaft oder nicht lamentieren: die zur Zeit mitwirkenden Mitarbeitenden sind jedenfalls nicht bereit, sich dafür als “nützliche Idioten” missbrauchen zu lassen.
Klaus Riedel (Vorsitzender des Fachausschusses der Dienstnehmerseite in der ARK-DD)
Sehr geehrter Herr Riedel,
vielen Dank für Ihre Reaktion.
Sie können sicher sein, dass ich meine zugespitzte, in keiner Weise als Werturteil zu verstehende Formulierung mit den betreffenden KollegInnen in Bremen klären werde. Dann sollten wir das vielleicht wieder etwas niedriger hängen. Aber ich bin froh, über den nützlichen Dialog, der daraus zu erwachsen scheint.
Was das Thema Dritter Weg, Dienstgemeinschaft angeht: Danke, dass Sie von Ihren positiven Erfahrungen in RWL schreiben. Aus meiner Sicht zeigt der bestehende Konflikt auch, dass eine Stärkung der Arbeitnehmerseite weiterhin wichtig ist. Und ich hoffe und bin zuversichtlich, dass bald alle Seiten zum Gespräch zurückkehren werden, damit gut abgestimmte und vertretbare Forderungen von beiden Seiten ausgehandelt werden können. Wie Sie sicher wissen, hat die Arbeitgeberseite ihre Forderungen zwischenzeitlich vollumfänglich zurückgezogen. Was ich auch als Denkpause auf der Dienstgeberseite verstanden habe.
Ich persönlich setze mich gemeinsam mit vielen anderen aus der Diakonie an vielen Stellen engagiert dafür ein, dass die anspruchsvollen Aufgaben in der sozialen und pädagogischen Arbeit wie in der Pflege angemessen bezahlt werden. Das ist mein Credo in allen entsprechenden Gesprächen, die ich führe. Und trotzdem müssen wir in diesem Zusammenhang auch über Refinanzierung sprechen. Wir brauchen gute Konzepte, z.B. auch für die weitere Finanzierung der Pflegeversicherung oder eine adäquate Finanzausstattung der Kommunen.
Insgesamt bin ich sehr daran interessiert, kontrovers und konstruktiv mit Ihnen über den Dritten Weg etc. ins Gespräch zu kommen. Insbesondere über die Frage, wie wir in einer sozialen Dienstleistungsgesellschaft zu Formen der Tarifaushandlung kommen, die Dritte nicht in Mithaftung nehmen und gleichzeitig zu einem tragfähigen und belastbaren Interessenausgleich führen. Vielleicht fallen uns gemeinsam Formate ein, in denen ein solches Gespräch auf breiterer Basis möglich ist? Dazu bin ich jederzeit bereit, nicht zuletzt deshalb, weil mir eine auskömmliche und angemessene Bezahlung unserer vielen hoch engagierten Mitarbeitenden sehr am Herzen liegt.
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin.
Ihr Ulrich Lilie
Lieber Herr Lilje,
nach sehr anstrengenden und krontoversen Tarifverhandlungen sowie einem durchaus konfliktreichen Schlichtungsverfahren haben sowohl die Dienstgeberseite als auch 94,5% der befragten Ver.di Mitglieder ihre Zustimmung zur Schlichtungsempfehlung und zur Überleitung der Diakonie Himmelsthür aus dem bestehenden Haustarifvertrag in den Tarifvertrag für die Diakonie in Niedersachsen erklärt.
Ich bin weit davon entfernt, solche Tarifeinigungsprozesse als diakonische Wohlfühlveranstaltung oder Patentrezept zur Konfliktvermeidung anzusehen. Offensichtlich bieten sie aber eine brauchbare Basis zum Interessenausgleich, wie sie auf dem sogenannten Dritten Weg gegenwärtig nicht mehr zu bestehen scheint. Das schönste Fußballturnier wird hinfällig, wenn sich die beteiligten Mannschaften erst gar nicht auf ein gemeinsam akzeptiertes Reglement verständigen können. Insofern sollte die Diakonie Deutschland in einer Situation des drohenden Verlustes des Sozialpartners darüber nachdenken, ob sie sich nicht einem ergebnisoffenen Diskussionsprozess um den Beibehalt des Dritten Weges stellen sollte und prüfen, wie weit nicht auch der Tarifvertragsweg eine geeignete Form zur Herstellung von Sozialpartnerschaft in der Diakonie sein kann.
Freundliche Grüße aus Hildesheim
Ulrich Stoebe
Sehr geehrter Herr Lilie,
selbst als MAV Mitglied will ich Ihre Bezeichnung “nützlicher Idiot” von VERDI nicht pauschal bestreiten.
Aber die Bezeichnung “nützlicher Idiot” dürfte viel besser auf Sie zutreffen.
Aus Ihren Ausführungen muss ich entnehmen, dass Sie, um Wettbewerbsfähig zu sein, Lohnzurückhaltung unumgänglich halten.
Zu was solches Lohndumping seit Einführung der Hartz IV Gesetze in Deutschland geführt hat und noch weiter führen wird, kann man mit geringen Gundkenntnissen der Makroökonomie erkennen.
Durch unseren besten Niedriglohnsektor der Welt (Schröder) zwingen wir unsere Partner in EU unsere Produkte zu kaufen, sprich sich zu verschulden.
Da unsere Freunde auf Augenhöhe in der Folge nicht mehr konkurenzfähig sind, steigt die Arbeitslosigkeit bei unseren Freunden, auch ein Exportgut von uns.
Europa steht mit freundlicher Hlfe der schwarzen Null vor der Auflösung.
Ich könnte noch ein Weilchen weiterschreiben, nur eine Frage:
Nächstenliebe und Neoliberalismus, geht das?
Mit freundlichem Gruß aus Baden
Werner Bauer
Beikoch im Marienhaus Malsch
Sehr geehrter Herr Lilie,
Sie schreiben: “Sie können sicher sein, dass ich meine zugespitzte, in keiner Weise als Werturteil zu verstehende Formulierung mit den betreffenden KollegInnen in Bremen klären werde. Dann sollten wir das vielleicht wieder etwas niedriger hängen.”
Dazu zwei Anmerkungen:
1. Wenn ich jemanden als Idioten bezeichne, dann ist dies sehr wohl als Werturteil zu verstehen.
2. “Dann sollten wir das vielleicht wieder etwas niedriger hängen.” – Wenn ein Diakonie Mitarbeiter in dieser Dienstgemeinschaft, sich öffentlich so über den Diakonie Präsidenten geäußert hätte, …
… er hätte wohl kaum eine Chance, “das ganze etwas niedriger zu hängen”, mit großer Warscheinlichkeit wäre er ganz schnell arbeitslos.
Freundliche Grüße,
Manfred Quentel
Moin lieber Herr Lilie,
bei den zahlreichen Unterschieden zwischen dem “3. Weg” und dem “2. Weg” gibt es für mich einen ganz gravierenden, der in den bisherigen Diskussionsbeiträgen nicht erwähnt wurde: Die Dienstverträge nach AVR sind individuelle, zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer geschlosene Arbeitsverträge. Da unterscheidet sich der “3. Weg” kaum vom “1. Weg”.
Ein Arbeitsvertrag nach Tarifrecht ist ein kollektiv wirkender Vertrag, der vom Individuum Arbeitnehmer, oder Arbeitgeber nicht beeinflusst werden kann.
Ein weiterer relevanter Unterschied: bei Uneinigkeit über die korrekte Eingruppierung eines Dienstnehmers entscheidet ein Kirchengericht; bei einem Arbeitnehmer entscheidet ein Arbeitsgericht. Hält sich der Dienstgeber nicht an die gerichtlichen Vorgaben, geschieht in Ermangelung einer “Kirchenpolizei”, (fast) nichts; bei dem Arbeitgeber wird die Exekutive die Vorgaben durchsetzen.
Ich bin auch einer von den “nützlichen Idioten”. (Ein Idiot war im alten Griechenland einer, der sich nicht für die Gesellschaft engagiert, und im alten Rom wurde der weniger Gebildete als Idiot bezeichnet.) Das Adjektiv “nützlich” stellt für mich eher die Hauptaussage in Ihrer Äußerung dar. Sie haben hier in Ihrem Blog angekündigt, sich mit den Bremer MitarbeitervertreterInnen direkt auseinandersetzen zu wollen, das begrüße ich sehr, denn dabei kann ich mich wieder “nützlich” fühlen, wenn ich versuche Ihnen die Sinnhaftigkeit von gewerkschaftlicher Organisation zur Durchsetzung und Bewahrung von guten Arbeitsbedingungen zu erklären. Wenn ich Ihre Äußerungen in den vorangegangenen Beiträgen lese, so stehen auch für Sie die guten Abrbeitsbedingungen der MitarbeiterInnen in den Betrieben der Diakonie ganz oben auf der “to-do-Liste”. Da sollte einer Einigung doch nichts im Wege stehen.
Ich freue mich auf Ihren Besuch in Bremen und wünsche Ihnen bis dahin ein ruhiges Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Liebe Grüße
Helmut Schümann
GA im DW Bremen