Ich habe in dieser Woche gelernt, dass man Dorf auch mit „v“ schreiben kann. Also: DORV. Und ich wünsche mir sehr, dass Kirche im DORV aktiv wird, – als Gemeinde, als Diakoniestation, als Diakonisches Unternehmen.
Denn ich bin mir sicher: Wenn Kirche im Dorf bedeutungsvoll bleiben will, muss sie sich am DORV und seinen Zielen beteiligen – gemeinsam mit den anderen Akteuren der Zivilgesellschaft.
DORV ist ein Kunstwort und steht für Dienstleistung und Ortsnahe Rundum Versorgung. Dahinter verbirgt sich ein wirklich geniales zivilgesellschaftlich gewupptes und erprobtes Konzept der neuartigen multifunktionalen Nahversorgung: Der „Tante Emma Laden mit High-Tech-Charakter“ als neues DORV-Zentrum. Und zwar gerade an Orten, wo Bäcker, Metzger, Post, Sparkasse, Dorfkrug und Co bis auf weiteres geschlossen haben und Ämter und Ärzte schon lange verschwunden sind. DORV wurde in Nordrheinwestfalen erfunden, in Jülich-Barmen. Es gelang der 1300-Einwohner-Gemeinde nachweisbar und nachhaltig das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben wieder zum Leben zu erwecken. Im DORV-Zentrum gibt es das Sonntagsschnitzel, die Nummernschilder für das das neue Auto und den Kontakt zum Hausarzt. Einfach großartig. Und die richtige gute Nachricht ist: DORV kann man lernen. Einige Nachahmer gibt es inzwischen – auch in Brandenburg. Doch es sollen mehr werden.
Ich habe DORV und seinen Initiator Heinz Frey im Kontext der „2. Denkwerkstatt Ländlicher Raum“ in Kassel kennengelernt. Ein Ziel dieser Denkwerkstätten, an der wieder rund 20 Führungskräfte aus Landeskirchen und Diakonie aus ganz Deutschland teilgenommen haben, ist auch, die Zusammenarbeit von Kirche und Diakonie zu verbessern. Wir wollen lernen, uns gemeinsam wirksamer, ohne Lagerkämpfe, an der Gestaltung unserer Gesellschaft zu beteiligen. Auch die Kirchen tragen im ländlichen Raum Mitverantwortung für das Wohlergehen der Menschen in den Dörfern – nicht nur für das Seelenheil der Gemeindemitglieder. Der menschenfreundliche Gott, von dem wir sprechen, ist da sehr konkret.
Dieser mitleidende Gott leidet auch am Dahinsiechen und Sterben der Dörfer. Ich glaube, das darf man so sagen. Wir als Kirche und Diakonie müssen deswegen beim Gegensteuern aktiver mithelfen – gemeinsam mit den anderen Akteuren der Zivilgesellschaft. Das bringt bestimmt ungewohnte Allianzen mit sich –kann gut sein, dass die Kreissynode mit der freiwilligen Feuerwehr und den Vertretern der Linken zu tagen hat. Aber wenn uns das gelingt, könnten wir im Prozess der Dorfentwicklung eine moderierende, vermittelnde Rolle einnehmen – natürlich ohne zu dominieren. Die eingeübten Kommunikations- und Entscheidungswege – die Synode entwickelt ein Strukturpapier und schlägt eine Umsetzung vor – sind wahrscheinlich nicht mehr ausreichend. Wenn wir uns als Kirche und Diakonie stärker als e i n Mitspieler in die zivilgesellschaftlichen Prozesse einbringen wollen, bedeutet das wohl auch, dass wir unser kirchliches Handeln neu erfinden lernen. Es ist eine Lernreise, die wir gemeinsam antreten können – mit dem Ziel, dass die Dörfer aufblühen.
Wäre es nicht großartig, wenn Kirche und Diakonie quasi „Saatgeld“ oder auch „Saaträume“ zur Verfügung stellen könnten, damit mehr DORV-Zentren wachsen können, die das Leben der Menschen auf dem Land spürbar verbessern? Auch so bezeugen wir Christen die Menschenfreundlichkeit unseres Gottes. Oder was meinen Sie?