Alle Jahre wieder: Kinderweihnacht

Alle Jahre wieder im Dezember, wenn in unseren Breiten die Nächte länger und kälter werden, verdichtet sich bei vielen Menschen, ob gläubig oder nicht, eine Sehnsucht nach Licht, Wärme und Geborgenheit und nach einem Raum, in dem Verletzliches und Zartes unversehrt bleiben.

Kind beim Krippenspiel
Beim Krippenspiel: Weihnachten ohne Kinder macht vielen Menschen keine rechte Freude.          Foto: epd-bild/ Jens Schulze

Weihnachten ohne strahlende Kinder macht darum vielen keine rechte Freude. Und echte Kerzen müssen sein: ruhige Flammen, ein warmes Licht, das die Atmosphäre verändert, damit sich Heiligabend nach Weihnachten anfühlt. Und natürlich haben die Leute Recht: Schon die Sehnsucht nach Kinderlachen und Kerzenschein transportiert viel vom Sinn von Weihnachten.

Nackt und bloß

Allen Lichterketten, Zentralheizungen und dem Überangebot in den Lebensmittelgeschäften zum Trotz, nistet tief in uns ein Wissen um unsere Verletzlichkeit: Wir sind alle „nackt und bloß“ unter unseren Kleidern. Wir hören es täglich in den Nachrichten, scrollen durch Newsfeeds, sehen Bilder, die daran erinnern, dass Licht und Wärme und Nahrung keine Selbstverständlichkeiten sind. Nicht in unserem Land und schon gar nicht anderswo.

Kinder gehören seit Menschengedenken immer zu den Schwächsten. Die eigenen Kinder, aber auch die der anderen. Die Pandemie hat zu viele von ihnen in die Isolation getrieben, hat ihre Familien an den Rand der Überforderung gebracht, Aggressionen und Gewalt freigesetzt. Homeschooling in Akademikerelternhäusern mit gesichertem Einkommen und Kinderzimmer funktioniert anders als Lockdown in der betreuten Wohngruppe oder in einer Zweizimmerwohnung alleinerziehend auf Hartz IV. Sehr viel unromantischer.

Kinder stärken

Zu lange sind auch in der Corona-Krise die Bedürfnisse der Kinder zu wenig beachtet worden. Die Folgen erleben unsere Mitarbeitenden in den Beratungsstellen der Diakonie, in Frauenhäusern, in Schule und Kindergarten, in Einrichtungen für wohnungslose Frauen mit Kindern, in den vielfältigen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendsozialarbeit. Von überall hören wir, dass die Unterstützungsbedarfe zunehmen.

Verlässliche Angebote für Kinder und Jugendliche sind immer unverzichtbar, nie Luxus, noch weniger in den Zeiten der Krise. Eine Gesellschaft, die hier spart, kann sich auch Weihnachten sparen.

Nur wenn gelingt, dass es Kindern verlässlich gut geht, wenn ihr Wohlergehen Maßstab wird, ist auch der Friede greifbar, von dem die Engel in der Weihnachtsgeschichte singen.

Das gilt für Kinder in unserem Land, und erst recht für die Kinder und ihre verzweifelten Familien in den Booten, im Wald, in den Lagern an den europäischen Außengrenzen. Jedes Kind hat ein Recht darauf, unbeschadet aufzuwachsen und sich entfalten zu können. Jedes einzelne.

Uneheliches Gotteskind

Die Christenheit stellt – eine göttliche Idee – zu Weihnachten ein uneheliches Kind in prekären Verhältnissen in das Zentrum ihres Glaubens und nennt es „Retter“. Ein Neugeborenes in einer Futterkrippe, das zum Flüchtling wird, kaum, dass es auf der Welt ist.

Die biblischen Zeug:innen öffnen uns in ihren Geschichten den Himmel für ein größeres Licht, lassen Engel auftreten, die „Fürchtet euch nicht!“ rufen, vom Frieden auf Erden singen und dann in den Himmel zurückkehren. Uns bleibt nur das Nachsehen. Oder das Staunen. Dahinter Stille. Und vor unseren Augen dieser schlafende Säugling: Gottes Sohn.

Und dann sind wir dran.

Wir können entscheiden, wie wir mit dem Gehörten umgehen: Bleibt alles so wie es vorher war? Oder lassen wir dieses Kind unsere Gottes- und Menschenbilder in Unordnung bringen? Wer ist stark? Wer ist schwach? Wo wohnt die Hoffnung? Und wie wird sie im Alltag der Notunterkünfte und Einfamilienhäuser erfahrbar? Das will immer wieder neu verstanden werden. Nicht nur zu Weihnachten.

Kühnheit des Himmels

Gott wird ein Kind. Jeder Mensch fängt so an: als verletzliches Kind. Und jedes Kind braucht Schutz, braucht Fürsorge, Geduld, Liebe und Rechte. Gott macht sich schwach, wehrlos, angewiesen auf uns. Jedes Kind weckt, wenn es gut geht, diesen Beschützerinstinkt der Großen, ihre Zartheit. Gott wird Mensch. Das ist die kühne Idee des Himmels. Sie aufzunehmen ist abenteuerlich. Und genau das können wir Heiligabend bestaunen und feiern.

Ihnen und Ihren Lieben wünsche ich von Herzen frohe, gesegnete Weihnachten.