Ich habe vor einiger Zeit einen diplomatischen Fauxpas begangen. Ich habe die politisch nicht korrekte Formulierung „Nützliche Idioten“ gebraucht. Und zwar öffentlich. In einem Interview rund um die Frage, wie ich es beurteile, dass Mitarbeitervertretungen (MAV) unter dem Dach der Diakonie den Dritten Weg in Frage stellen und angefeuert von ver.di in einer Konfliktsituation Front machen gegen die Diakonischen Dienstgeber.
(Dienstgeber, dass sei kurz erläutert, ist der Diakoniebegriff für Arbeitgeber, Dienstnehmer für Arbeitnehmer, gemeinsam sind sie eine Dienstgemeinschaft. Dazu später mehr.)
Ich habe in diesem Interview eine Menge anderes gesagt – über den gnadenlosen Wettbewerb auf dem Markt der Pflege, über den Preiskampf, darüber, dass die Diakonie noch bessere Gehälter zahlt als viele andere Anbieter. Aber o-ton-tauglich war eben diese diplomatische Entgleisung. Es kam im Fernsehen dann so rüber, als würde ich, der Präsident von Diakonie Deutschland, unsere MAV beschimpfen. Was ich in dem Moment ja auch getan habe. Darüber habe ich mich dann gleich wieder geärgert. Denn darum ging es mir wirklich nicht. Ich finde unverzichtbar, dass es die MAV gibt, dass sie für die Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eintritt. Es muss gemeinsam mit den Diakonischen Dienstgebern um gute Arbeitsbedingungen gestritten werden. Gerade weil die Konkurrenz auf dem Markt der Pflege so unerbittlich ist.
Aber ich bin außerdem tatsächlich davon überzeugt, dass sich auf dem Dritten Weg die besten Ergebnisse für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzielen lassen. Und es regt mich auf, wenn ich den Eindruck bekomme, dass die MAV sich von der Gewerkschaft mit ihrer aggressiven Mitgliederwerbung instrumentalisieren lässt. Es wird ein Feindbild geschürt: Die böse Kirche, die böse Diakonie, die ihren Mitarbeitern echte Betriebsräte und das Streikrecht vorenthalte auf der einen Seite und die aufrechten Gewerkschafter, die Kämpfer für die gute Sache, auf der anderen. Diese Polarisierungen sind grundfalsch und helfen überhaupt nicht weiter.
Der Dritte Weg sieht vor, dass sich diakonische Dienstgeber und Dienstnehmer in paritätisch, also zahlenmäßig gleich besetzen Arbeitsrechtlichen Kommissionen über Fragen von Gehalt, Sonderzahlungen, Eingruppierungen etc. verständigen müssen. Ja, der Dritte Weg kennt kein Streikrecht, aber eben auch keine Aussperrung. Wir halten es in der Kirche für angemessener, einen Weg der Auseinandersetzung zu finden, der auf gegenseitige Dämonisierung verzichtet. Stattdessen gibt es ein Schlichtungsverfahren: Wenn sich die Kommission in zwei Anläufen nicht einigen kann, wird ein unabhängiger Schlichter, eine Schlichterin bestellt. Eine Person, die die Qualifikation eines Richters haben muss und in keinem Dienstverhältnis zu Kirche oder Diakonie stehen darf. Dieser Schlichterspruch muss angenommen und umgesetzt werden.
Gerade im Kontext des Wettbewerbs finde ich es unverzichtbar, diese Werte und Methoden der Dienstgemeinschaft, die von der Gewerkschaft gerne verspottet wird, hochzuhalten: Das altmodisch wirkende Wort „Dienstgemeinschaft“ ist ein Störer in der Welt des Schneller, Besser, Mehr. In einer Dienstgemeinschaft geht es nicht in erster Linie um die Vermehrung von Geld, sondern um die Förderung von Menschen. Es geht um Sinn und darum, dem Gegenüber respektvoll zu begegnen – sei es Klient oder Kollegin.
Das Modell Dienstgemeinschaft ist in einer sozialen Dienstleistungsgesellschaft viel moderner als manche, die Kindergärten, Krankenhäuser und Pflegeheime bestreiken wollen, glauben machen wollen.
Und es funktioniert auch im „Arbeitskampf“, das hat sich kürzlich erst wieder erwiesen. Die Diakonischen Dienstgeber haben ihren Versuch, umfangreiche Gehaltsreduzierungen in der Altenpflege durchzusetzen, wieder zurückgezogen. Es gab zwar heftige Konflikte in der Kommission, aber keinen Streik der Dienstnehmer. Ich bin froh, dass der Vorschlag vom Tisch ist, denn es kann nicht angehen, dass hart arbeitenden Pflegekräfte, die in unserer Gesellschaft bei weitem nicht gut genug bezahlt werden, noch weitere Einbußen hinnehmen müssen. Gleichzeitig muss man aber sehen, dass die Einrichtungen der Diakonie in einem Preiskampf stehen. In dieser äußerst schwierigen Situation ist es unendlich wichtig, im Gespräch zu bleiben. Nicht nur in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen der Landesverbände.
Wir im Bundesverband, die wir in diesen Kommissionen kein Stimmrecht haben, werden weiter mit den politischen Gestaltern über die sozialpolitischen Rahmenbedingungen in unserem Land streiten, die diesen Preiskampf in der Pflege heraufbeschwören, und für eine angemessene Entlohnung der Pflege kämpfen. Auch wenn uns manche für nützliche Idioten oder für hoffnungslos naiv halten.