Wir müssen trotz Pandemie arbeitsfähig bleiben. Im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung, in der Diakonie in Deutschland, ja, in der Freien Wohlfahrt überhaupt. Ein Shutdown kommt nicht in Frage. Denn wir tragen Verantwortung für Menschen, die sich auf uns verlassen. Sei es in Deutschland, in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln oder in den Projekten unserer Partner in Übersee. Wir können gar nicht aussetzen. Wir wollen es auch nicht.
Wir dürfen jetzt wohl darauf setzen, dass der Bund auch die Freie Wohlfahrt unter den milliardenschweren Rettungsschirm für die deutsche Wirtschaft holt, anderenfalls müssten wir in der Diakonie jedenfalls bald aussetzen. Das kann keine Option sein.
Unter Hochdruck
Deswegen haben wir auch in der vergangenen Woche nicht aufgehört, unter Hochdruck an unserer Arbeitsfähigkeit zu arbeiten. Wir haben Strukturen geschaffen für Hunderte im Homeoffice, IT-Lösungen gefunden und lernen aktuell viel über digitale Konferenztools. Arbeitszeitregelungen werden angepasst und fortlaufend wird über die sich überstürzenden Ereignisse informiert.
An der Erschöpfungsgrenze
Nicht nur in den Krankenhäusern, auch in den Pflegeeinrichtungen und in unseren Verbänden arbeiten viele an und über der Erschöpfungsgrenze. Bei den Videoschalten in die Landesverbände schaue ich in Gesichter, denen man ansieht, dass es wenig Schlaf gab in den vergangenen Tagen.
So viel großartiges Engagement, Kreativität und Flexibilität unter extrem belastenden Umständen. Herzlichen Dank allen, die sich jetzt mit ganzer Kraft und allen Ressourcen für die Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung und des sozialen Lebens in unserem Land einsetzen! Das ist nun unser gemeinsamer öffentlicher Auftrag: Dienst am Nächsten und am Gemeinwohl.
Vor dem Kollaps
Die Lage ist ernst, hat die Kanzlerin über die Corona-Pandemie gesagt. Und ich sage: Sie würde noch ernster, wenn die soziale Infrastruktur kollabiert. Wenn Träger und Einrichtungen der Freien Wohlfahrt in den kommenden Wochen in großer Zahl wegen Insolvenz schließen müssten, würden die Menschen, die Hilfe und Unterstützung brauchen, vor geschlossenen Türen stehen.
Und diese Türen würden sich auch nicht wieder öffnen, wenn die Pandemie vorbei ist: Keine Kinderbetreuung mehr, keine Tagespflege, keine Angebote der Rehabilitation, keine Beratung und Betreuung in besonderen Lebenslagen. Ein Alptraum für das Funktionieren des Sozialstaats und für den Alltag ungezählter Familien. Das darf nicht sein.
Unterm Rettungsschirm
Darum müssen wir arbeitsfähig bleiben und dafür brauchen wir, die Diakonie und die anderen Verbände der Freien Wohlfahrt möglichst unbürokratische und verlässliche Finanzierungszusagen. Und zwar für alle Handlungsfelder – von den Krankenhäusern über die Pflege bis hin zu den Beratungsstellen.
Wir müssen mit unter den Rettungsschirm für die deutsche Wirtschaft, an dem die Bundesregierung derzeit mit Hochdruck arbeitet. Denn wir wollen unseren Beitrag zum Zusammenleben leisten. Jetzt und in Zukunft, nach der Coronakrise.
Risiko Gemeinnützigkeit
Der Grund für die Misere: Die Träger zahlloser Einrichtungen im ganzen Land dürfen aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit nur sehr begrenzt Rücklagen bilden. Wenn wegen Corona die Einnahmen aus Zuwendungen und die Entgelte nach Leistungsvereinbarungen wegbrechen, und das tun sie wegen der Schließungen bereits, droht besonders den kleinen und mittleren Einrichtungen binnen Wochen die Insolvenz.
Woher soll das Geld in einer Kita, Jugendhilfe oder Tagespflege kommen, um die Kosten für Mieten und Personal zu tragen?
Freie Wohlfahrt sichern
Der Bund muss nun die Einnahmen für gemeinnützige Einrichtungen, soziale Dienste und erst recht für die Krankenhäuser und Pflegedienste sicherstellen, um einen Kollaps des Systems der freien Wohlfahrt zu verhindern. Auch bei vorübergehenden eingeschränkten Leistungen müssen Zuwendungen und Leistungsentgelte weiter fließen.
Fast zwei Millionen Menschen in Deutschland sind in der Freien Wohlfahrt beschäftigt – mehr als doppelt so viel wie in der Automobilindustrie. Täglich stellen sie die soziale Versorgung bundesweit sicher.
Bangen um die Existenz
Es kann nicht sein, dass unsere Haupt- und Ehrenamtlichen noch um ihre berufliche Existenz bangen müssen, während die Pandemie sie in ihrem Arbeitsalltag vielfältigen Risiken und Belastungen aussetzt: In einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen werden sie z.B. mit Corona-bedingt schweren Krankheitsverläufen konfrontiert, in Kitas mit der Notfallbetreuung von Kindern, deren Eltern in Krankenhäusern und als Polizeibeamte gerade stark belastet sind.
Wir müssen jetzt arbeitsfähig bleiben. Das Geflecht aus Sozial-, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen darf nicht zerreißen. Die Diakonie und andere Verbände der Freien Wohlfahrtspflege spielen gerade in diesen herausfordernden Zeiten eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt und die Solidarität in unserem Land.
Applaus reicht nicht
Es ist wunderbar, dass sich die Gesellschaft gerade darauf besinnt, welch unschätzbaren Dienst die Krankenschwestern und -pfleger für uns alle leisten. Aber auch die Erzieherinnen, Heimerzieherinnen, Pflegekräfte und Sozialarbeiterinnen müssen sich darauf verlassen können, dass ihr Arbeitsplatz nicht durch wegbrechende Finanzierungen gefährdet ist.
Applaus reicht einfach nicht aus. Wie heißt es so schön: Die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung muss belohnt werden. Eben! Wir sollten beizeiten über Gratifikationen nachdenken,für die, die jetzt unter schwierigsten Bedingungen auf den Intensivstationen einen außerordentlichen Job machen.
Bleiben Sie behütet und gesund!