Ein großer Wurf

Ich meine: Das historisch beispiellose 130 Milliarden-Konjunkturpaket der Bundesregierung ist ein großer Wurf – und ein Beleg für die positive Gestaltungskraft vernünftiger Kompromisse in der Demokratie.

Schon gut, geht aber noch besser: Die Diakonie möchte, dass Alleinerziehende noch mehr vom Konjunkturpaket der Bundesregierung profitieren. Foto: epd-Bild/Maike Glöckner

Es schiebt nicht nur die Wirtschaft an, sondern ist insgesamt sozial ausgewogen, familienfreundlich, innovativ und weist ökologisch in die richtige Richtung. Und nicht zuletzt: Das breit ansetzende Hilfspaket nimmt den Populisten ohne Alternative den Wind aus den Segeln. Auch das ist wahrhaftig ein Anlass für eine Würdigung, nicht zum Mäkeln. Und das möchte ich auch heute nochmal wiederholen.

Die Perspektive der Schwächsten

Ja, selbstverständlich gibt es Nachbesserungsbedarf, nein, nicht alles ist perfekt – auch nicht in den Augen der Diakonie. Auf dem Weg zur Verabschiedung in Bundestag und Bundesrat wird darum über vieles noch gesprochen werden müssen.

Und auch wir werden uns selbstverständlich mit fachlichen Argumenten und den Perspektiven der Schwächsten in dieses Gespräch einbringen. Und das ist auch gut so und gehört, genau wie der Verhandlungsmarathon, der dem Paket vorangegangen ist, zum parlamentarischen Prozess.

Zielgenauer unterstützen

Selbstverständlich wird sich die Diakonie dafür stark machen, dass die sozialen Maßnahmen zielgenauer werden. Die Unterstützung soll ja dort ankommen, wo sie am meisten gebraucht wird – bei den Familien ohne eigenem oder mit geringem Einkommen und bei den Alleinerziehenden, die auf jeden Euro angewiesen sind.

Wir haben auch Anfragen an das „Gießkannenprinzip“ beim Kinderbonus und sind überzeugt, dass das Instrument, den steuerlichen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende anzuheben, die gewünschte Wirksamkeit nur bei den Besserverdienenden unter ihnen entfalten wird. Wer im Hartz IV-Bezug lebt, profitiert nicht von der steuerlichen Entlastung. Darauf werden wir hinweisen.

Das große Ganze

Insgesamt setze ich aber darauf, dass alle, die jetzt in Nachverhandlungen einsteigen, darauf verzichten, sich zu sehr in Detailfragen zu verbeißen. Es geht um das große Ganze. Und darum gilt es auch, immer wieder klug abzuwägen, ob Partikularinteressen oder die eigene Inszenierung wichtig genug sind, um den Kompromiss der Regierung zu gefährden. Der muss ja nicht nur durch den Bundestag gebracht werden, sondern auch durch den parteipolitisch zersplitterten Bundesrat.

Die Bundesregierung formuliert mit dem Paket jedenfalls eine kraftvolle Antwort auf die absehbar tiefste Rezession der Nachkriegsgeschichte. Und die gute Nachricht bei allen schlechten Nachrichten der letzten Wochen lautet: Unsere Demokratie ist stark und handlungsfähig, und sie kann auch Krise.

Starke Demokratie

Handlungsbedarf – und Gestaltungsfähigkeit zu demonstrieren, ist gerade in diesen Zeiten wichtig, in der geschichtsvergessene Vereinfacher und martialisch auftretende Goliaths mit ihren spaltenden Strategien und „Grenzen-dicht“-Mantras die Ängste der Menschen anheizen. Oder mit absurden Verschwörungsmärchen auf Stimmungsfang gehen, um ihr ungenießbares rassistisches, antisemitisches oder antimuslimisches Süppchen zu kochen.

Nichts würde diese Populisten mehr freuen, als wenn die Bundesrepublik Deutschland sich in der schwersten Wirtschaftskrise nach dem 2. Weltkrieg als manövrierunfähig erweisen würde. Wie gut, dass es dazu in Deutschland nicht kommen wird; und wie bitter, dass die USA aktuell so schlecht regiert werden. Ein schlichter Vergleich macht eindrücklich deutlich, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, wer gewählt wird.

Ich bin in den zurückliegenden Corona-Zeiten oft froh gewesen und bin immer noch froh, in einem Deutschland mit einem erprobt umsichtigen und besonnenen Politikstil, mit konstruktiver Debattenkultur und einem föderalen System samt seines gelegentlich beklagten Regelungs-„Flickenteppichs“ leben zu dürfen.

Kreativ und kompetent

Die komplexen und dynamischen Herausforderungen unserer Zeit vertragen keine Alleingänge und kein „Durchregieren“, auch keine Basta-Mentalität oder einfache abschließende Antworten. Sie brauchen die Kreativität und Kompetenz der unterschiedlichsten Menschen, die sich miteinander auf lösungsorientierte und fehlertolerante Prozesse einlassen und auf demokratische Kompromisse, um eine lebensfreundliche Gesellschaft für möglichst viele zu bauen.

Nicht nur in Deutschland. Auch in Europa. Die Zukunft unseres Planeten und die Lebensbedingungen der Menschen in den Ländern des Südens sind eine internationale Gemeinschaftsaufgabe.  Das Konjunkturpaket kann uns in Deutschland dabei helfen, uns mitverantwortlich und mitgestaltend endlich auch auf diese Aufgaben einzulassen.