Einsamkeit und Empathie

Einsamkeit ist das Thema meiner diesjährigen Sommerreise. Montag geht es los. Vier Tage werden wir mit einem kleinen Team unterwegs sein und Projekte und Einrichtungen der Diakonie besuchen, Gespräche führen, diskutieren, sehr genau hinsehen, viel zuhören. Ganz im Sinne unserer Kampagne: Unerhört! Diese Einsamen.

Die Sommerreise 2022 widmet sich dem Thema Einsamkeit. Grafik: Diakonie/Eva Krämer

Es gibt viele Arten der Einsamkeit. Nicht jede führt zu Leid, manchem ebnet Einsamkeit den Weg zum inneren Frieden. Umso wichtiger ist es zu verstehen und differenziert darüber zu sprechen, wann und für wen Einsamkeit ein Problem wird. Und wie wir als Gesellschaft, dort Netzwerke gegen Einsamkeit knüpfen können, wo sie ungewollt, quälend und krankmachend ist.

Kein Aussenseiterproblem

Einsamkeit, die leiden lässt, ist keinesfalls ein Außenseiterproblem der Alten, Kranken, “Uncoolen”. Sie ist aber auch keine Krankheit, die man heilen kann; oder ein sozialtechnisches Problem, für das es eine Lösung geben muss, die sich etwa über ein “Ministerium” oder eine “Regierungsbeauftragung” herbei managen ließe. Einsamkeit ist emotional ein schwieriges Gelände – wer mehr über Einsamkeit wissen will, berührt immer die Intimsphäre eines Menschen. Das ist in den Arbeitsfeldern der Diakonie oft der Fall, weil es immer um konkrete Menschen in Notlagen geht.

Mit der Pandemie ist Einsamkeit quasi über Nacht zu einer kollektiven Erfahrung geworden. Nähe wurde für viele ein Luxusgut; Abstand, Rückzug, Kontakt- und Besuchsverbot wurden das neue Normal. Die Gesellschaft im Lockdown stieß auch Menschen in die Einsamkeit, die sich bislang “immun” fühlten. Ob das im kommenden Herbst eine Neuauflage erfahren wird, wissen wir noch nicht. Darum ist hier nun weit- und umsichtige Politik gefragt, die aus den Erfahrungen der zurückliegenden Jahre gelernt hat.

Corona-Einsamkeiten

Einsamkeit – das hat Corona noch sichtbarer gemacht – fragt nicht nach sozialem Status, nach beruflichem Erfolg, Gesundheitszustand oder Beliebtheit. Einsam können eben auch die fröhliche, frischgebackene Studentin sein, die am neuen Hochschulort im 4. Semester immer noch allein vor ihren Rechner sitzt, der Eventmanager, dessen Geschäftsfeld verschwunden ist, die Angestellte im Homeoffice, die Künstler:innen ohne Engagement und Proben-Möglichkeit.

Einsamkeit ist kein Stigma der Außenseiter, sondern kann trotz Freundeskreis und Familie zu einem Problem werden. Ganz “normale” Menschen bekamen in den zurückliegenden Monaten eine Ahnung davon, was es heißen kann, einsam zu sein. Und viele redeten darüber.

einsame Frau
Wann wird Einsamkeit ein Problem, und was können wir als Gesellschaft dagegen unternehmen? Foto:epd-bild/Jochen Tack

Ob und wie diese Corona-Erfahrung nun helfen kann, die gesellschaftliche Debatte über Einsamkeit nachhaltig zu differenzieren, ist noch nicht sicher. Aber das Thema wird nun anders besprochen , als es vor Corona der Fall war. Im besseren Fall gelingt dann soziales Lernen.

Perspektivwechsel

In der kommenden Woche werden wir bei Besuchen und Gesprächen genauer hinzusehen: Welche Arten von Einsamkeit wird uns auf unseren Stationen Bremen, Hamburg und Schwerin begegnen? Der Terminplan ist voll und voller Perspektivwechsel: Wir werden etwa mit wohnungslosen Frauen, Geflüchteten und Alleinerziehenden, mit Schüler:innen und alten, alleinlebenden Menschen über ihre Einsamkeitserfahrungen sprechen.

Aber wir wollen auch über berufsbedingte Erfahrungen von Einsamkeit ins Gespräch kommen – mit Seeleuten und mit Führungskräften in der Diakonie. In Bremen werde ich mit dem Regierenden Bürgermeister diskutieren können, in Hamburg lesen der EKD-Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen und ich aus unserem gemeinsamen Buch “Atlas der Einsamkeiten”

Gesichter und Geschichten

Diese facettenreichen Reisen ins Land und in das große Netzwerk der Diakonie in Deutschland, für die ich mir jeden August gerne eine Woche Zeit nehme, sind sehr lehrreich. Oft setzen sie Impulse, die lange nachwirken. Nicht zuletzt, weil die politischen Debatten, die in Berlin und anderswo anzustoßen oder zu führen sind, sich plastisch mit Gesichtern und Geschichten wirklicher Menschen verbinden. Das erdet. Auch Sozial- und Verbandspolitik kann ja zu einer Bubble werden – nicht nur in Berlin.

Ich freue mich sehr auf die kommende Woche und werde von mir hören lassen.

Informationen dann auch auf Instagram  und Facebook.

 

 

Ein Gedanke zu „Einsamkeit und Empathie“

  1. Vielen Dank für Ihren interessanten Artikel. Es ist schön, wenn Verantwortliche in der Diakonie oder in anderen sozialen Einrichtungen erkennen, wie wichtig Empathie und Mitgefühl ist. Ja, Empathie bedeutet, die Gefühle jener Menschen zu erkennen und zu verstehen, mit denen wir es täglich zu tun haben.

    Nur so können wir verstehen, um was es unseren Mitmenschen geht und angemessen darauf reagieren und handeln. Wer empathielos ist, hat oft wenig Einfühlungsvermögen für andere Menschen. In einer Beziehung kann das den Partner unter Umständen unglücklich machen. In sozialen Einrichtungen wie Altenheimen fühlen sich – wie Sie richtig feststellen – Menschen einsam, deren Anliegen nicht wahrgenommen werden.

    Es gibt ganz unterschiedliche Gründe dafür, warum jemand empathielos ist. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man es trainieren kann, eine andere Person besser zu verstehen. Dabei geht es doch darum, das zu spüren, was der andere fühlt.

    Jeder Mensch ist unterschiedlich, manche sind sehr sensibel und können sofort spüren, was in einem Gespräch in der Luft liegt. Andere sind da eher schwerfälliger und können sich nur sehr schwer, in andere Personen hineinzuversetzen. Wir haben uns schon oft Gedanken darübergemacht, was die Ursachen für diese Unterschiede sind.

    Wer Empathie hat, der hat Mitgefühl für eine andere Person und wird auch als emotional intelligent bezeichnet. Ich versuche immer darauf zu achten, was mir mein Herz sagt bei einer Begegnung mit anderen Menschen. Wir alle begegnen häufig fremde Personen und oft ist es hilfreich zu spüren, was der andere fühlt und denkt. Wer dafür ein Gespür entwickelt räumt gewisse Missverständnisse vor vornherein aus.

    Wir denken, wir alle besitzen die Fähigkeit der Empathie. Allerdings ist sie bei allen unterschiedlich stark vorhanden. Manche sind von Haus aus einfach begabter dafür und andere müssen sich das Wissen über die Empathie erst besser aneignen. Auf alle Fälle hilft Empathie dabei, Verständnis für eine andere Person zu entwickeln. Und das ist im Alltag sehr gut. Damit lassen sich viele Herausforderungen meistern und bewältigen.

    Wir haben gelesen, dass neue Forschungen darauf hinweisen, dass Empathie und Mitgefühl gerade auch mit sich selbst und natürlich mit anderen Menschen Schlüsselfaktoren sind, um geistig gesund zu bleiben und sich selbst emotional wohlzufühlen. Achtsamkeit und Mitgefühl fehlen bei Menschen ohne Empathie.

    Wenn Sie diese Fähigkeiten vernachlässigt haben, können Sie sie kultivieren. Meist sind Menschen davon betroffen, die in erster Linie nur mit sich selbst beschäftigt sind. Ihnen fehlt oft der Blick hin zum Nächsten.

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